WGT 2011 - ein Festival zwei Meinungen

Die Nachwehen des XX. WGT

Von J. Mehlhase

20 Jahre WGT sind ins Land gegangen, mit vielen Höhen und auch mit dem einen oder anderen Tiefpunkt, so zum Beispiel das legendäre WGT, das mit der Flucht des Veranstalters samt Kasse, abrupt endete (Das ist allerdings nur eine Legende, Anmerkung des debilen Diktators*). Aber trotz allem auf und ab blieb das WGT immer ein fester Punkt im Konzert-Kalender jeden Jahres und stets ein Quell guter Erinnerungen. Auf das 20zigjährige Jubiläum durfte man deshalb gespannt sein. Ich persönlich hätte mir ein paar herausragendere Acts als Headliner gewünscht aber solch eine Wertung ist bekanntlich sehr subjektiv. Das Spektrum an Band und Stilen hatte jedoch einiges zu bieten. Leider fehlen die Fotos dazu, da ein fieser Festplattencrash den Bildern ein digitales Grab beschert hat. Es lebe die Sicherheitskopie.


Freitag:

Aus beruflichen Gründen spät angekommen, zog es mich in die Alte Messe zum Metall um meinen Ursprüngen zu frönen und abwechselnd in den Pantheon um dort elektronischen Klängen zu lauschen.
In der Kantine erwischte ich noch Mercy Design, der schon auf diversen Konzerten sein Unwesen trieb und auch hier zeigte er wieder was ein bekennender Waldorfschüler alles aus seinem Rechner zaubern kann. Leider konnte ich nicht das ganze Konzert sehen.
Schnell wieder in die Metallhalle nebenan zu Vreid und Tristania. Wobei mir erstere nicht viel gaben, aber Tristania optisch wie musikalisch überzeugten.
Nicht die Zeit verpassen und schnell wieder rüber in den Pantheon zu Clock DVA. Da muss man nicht viel sagen, allein dafür hat sich das Wochenende gelohnt. Auf jeden Fall ein Highlight.

Samstag:
Das war so ein Tag, an dem man sich hätte zerteilen müssen. Das geht bekanntlich nur einmal also fiel die Entscheidung auf die alte Messe, auch um dort noch ein paar Freunde zu treffen. Die Metallurgen wurden vor Ort durch Dornenreich, Lake of Tears und Tiamat vertreten. Ursprünglich wollte ich zu Front 242, wurde aber durch erhöhtes Feindflug-Aufkommen abgeschreckt.
Dornenreich verzichteten auf ihr übliches Akustikset und griffen zur Abwechslung mal wieder in die elektrisch verstärkten Seiten. Wobei das unglaubliche musikalische Können der Band auf der E-Gitarre viel besser zur Geltung kam, als auf der Holzklampfe. Ein unvergesslicher Auftritt.
Lake of Tears konnte das nicht toppen, brachten aber einen ansonsten guten Gig zu Stande. Tiamat hingegen konnte wieder auf ganzer Breite überzeugen und und schlossen den Abend würdig ab, indem sie uns an ihren eigenständigen und unverwechselbaren Sound teilhaben ließen.

Sonntag:
Etwas mitgenommen von der vorangegangenen Nacht kam ich nicht sehr zeitig aus den Federn und so ging es erst am Abend wieder richtig los. Wie immer stellte sich die schwierige Frage, wofür ich mich entscheiden sollte. Diesmal hieß das Dilemma Fields oder Camouflage. Die Entscheidung viel auf Camouflage, in der irrigen Annahme dort nicht tot-getreten zu werden. Die vielen Menschen, die das Konzert nur noch von einem Platz vor der Halle aus verfolgen konnten, hatten offensichtlich den selben Plan. Trotzdem war's ein toller Gig mit den ganzen Hits von früher und beeindruckend ausgereiften neuen Songs. Natürlich wurde auch der unvermeidliche Song gespielt, bei dem man an Camouflage denkt und und das Publikum sang eifrig mit (Ja welcher denn: "The Great Commandment" oder "Love Is A Shield"?)
Danach ging es noch schnell zu Recoil, ein Muss für jeden Demo-Fan. Martin Wilder zeigte, dass er's auch akustisch drauf hat. Das war ein toller Auftritt und Recoil zu Recht der Headliner am Sonntag. Depesche Mode wäre aus meiner Sicht zwar besser gewesen aber wahrscheinlich nicht bezahlbar.
Fast schon traditionsgemäß verbrachte ich den Sonntagnachmittag im Heidnischen Dorf zum ausgeprägten Amüsement. Da kann man immer die skurrilsten Menschen sehen. Musikalisch waren vor allem Faun sehens- und hörenswert.
Vor Camouflage schaute ich noch schnell bei Katatonia im Pantheon vorbei. Der Sänger erinnert mich immer an Vetter It von der Addams Family. Da sieht man auch nur Haare hinter dem Mikro. Vom Sound her war der Auftritt für jeden Freund sphärischer Klänge auf jeden Fall ein Ereignis.


Montag:
So schnell verrinnt die Zeit, die schmerzenden Füße verraten einem, dass es doch schon wieder vier Tage waren und mit etwas Wehmut bleibt die Frage, was nehme ich heute noch mit.
Die Wahl fiel für den Anfang auf das Werk II, um mal wieder den Horrorpunkgelüsten nachzugehen, doch die Bands konnten am frühen Nachmittag nicht wirklich überzeugen. Mit Thee Flanders kam dann die erste gute Kombo auf die Bühne, bei der die Werkhalle endlich rockte. Leider wurde es dann, weil viele im Anschluss die Misfits sehen wollten, so voll, dass ich fluchtartig die drückende!! Enge verließ und mich lieber zu Dive aufmachte. Eine gute Entscheidung, wie sich zeigte. Zuverlässig bringen Herr Ivens und sein Laptop die Halle zum Beben (Laptop?). Nicht zu bremsen der Mann. Vor Hocico musste ich dann wieder fliehen, um von Inade und ihren sphärischen Klängen noch etwas mitzubekommen.

Quasi auf dem Weg nach Hause schaute ich noch mal in die Agra, um ein paar Songs von Eluveitie zu hören. Sonst ist die Band eher auf den Paganfestivals zu Hause, nun durfte sie den letzten Gig für das 20zigste WGT spielen. Ein schöner Abschluss, wie ich fand, wenn auch mit Wehmut wie jedes Jahr. Und wie jedes mal kam mir die schmerzliche Einsicht, dass man nicht alles, was einem interessiert, auch sehen kann.

Bis zum nächsten Jahr zum einundzwanzigsten.


Debiler Rückblick auf das Jubiläums-WGT

Na da will ich auch nicht mit meinen Erfahrungen hinterm Berg halten.

Freitag hieß die erste Station Schauspielhaus. Diamanda Galas stand auf dem Programm und ich musst ziemlich hetzen, um rechtzeitig 20 Uhr im Stadtzentrum zu sein.In der Lokalität angekommen, erfuhr ich dann, dass die Vorband (Love Is Colder Than Death?) ausfiel und es eine Stunde später losging. Supi, aber da kann durchaus passieren.
Der Auftritt der Fürstin der Finsternis - nur Galas und Klavier - war wie immer unglaublich, kaum zu glauben war allerdings auch, dass ein nicht unwesentlicher Teil des schwarzgewandeten Publikums nicht den Anstand hatte, das ganze Konzert sitzen zu bleiben. Nach dem ersten Drittel der Show fühlte ich mich wie auf dem Bahnhof. Einige waren sogar so unverschämt, mitten im Song polternd rauszuströmen, ohne wenigstens auf die Pause zwischen den Stücken zu warten. Zum Kotzen, diese Banausen!


Da es nach dem Konzert schon reichlich spät war, ging es per Taxi erst einmal die Klamotten im Temporärdomizil abwerfen und dann zum Volkspalast zu CLOCK DVA. Der finanzielle Aufwand hat sich auf jeden Fall gelohnt, denn wir kamen rechtzeitig zum Beginn des Konzertes. In der Mitte der Kuppelhalle war ein Kubus aufgebaut, in dem die Musiker hinter weißen Gazevorhängen agierten. Dieses Gebilde wurde von allen Seiten mit Projektionen beschickt, was die unglaublichsten visuellen Effekte gab. Der Sound war akzeptabel, die räumliche Aufteilung funktionierte nur bedingt. Grund zum Meckern war das aber keiner für mich, die Akustik ist schwierig, vor allem, wenn man versucht eine Art Quadrosound zu fahren. Musikalisch waren die Altmeister mit ihrem fast schon cluborientierten Sound auf jeden Fall eine Ohrenweide.

Daran, wie wir den Rest des Abends verbrachten, kann ich mich heute nicht mehr erinnern, ich denke, wir feierten bis in die Morgenstunden in der Villa. Dort war es auch, wo ich fast, leicht bedröppelt, in einen mannshohen Spiegel rannte, den ich für einen Durchgang hielt. Aber seid versichert, ich war nicht der Einzige :-)


Der Samstag begann im Anker mit einem Laptop-Projekt zweier Herren, deren Namen ich glatt vergessen hab. So super interessant fand ich's nicht, weshalb ich auch Gruftiuntypisch ins helle Tageslicht hinaus ging und mit allerhand Bekannten schwätzte und neue Bekanntschaften machte. Treffencharakter live, quasi.
Es folgten KUNST ALS STRAFE, die nachdem sie mir beim Schlagstrom in Berlin gut gefallen hatten, diesmal nur noch langweilten. Mehr als einmal kann man sich dieses Quartett dann doch nicht anschauen, es passiert einfach zu wenig beim Klassik-Ambient-Mix. Die Band war dann auch recht angepisst vom Publikum, die in einem Statement, das ich irgendwo las (ich glaube das war auf der Facebook-Seite der Band), alle als pöse, pöse Nazis verdammt wurden. Wer zum Industrial geht, muss halt auch mit Uniformfetischisten rechnen. Und nicht Jeder, der ein Blood Axis-T-Shirt trägt oder sich Runen ans Revers steckt, wählt die NPD. Wahrscheinlich sogar die wenigsten…

Der Neubauten-Musiker N.U. UNRUH stellte den ganzen Raum mit Schlaginstrumenten zu und ließ de facto jeden darauf herumhacken, der wollte. Das Ergebnis war eine einzige Wall Of Noise, aus der sich kaum noch ein einzelner Rhythmus heraushören ließ. Das hatte was von Urschrei-Therapie meets Trommelkurs. Draußen vor der Tür fotografierte ich ein Hinweisschild auf eine Veranstaltung für Rhythmische Gymnastik. So könnte man das auch nennen…

Weiter ging's mit den HYBRYDS, die mir aber immer weniger gefallen. Alles viel zu nett und esoterisch, ganz zu schweigen von den softpornografischen Background-Bildern. Ich fand's eher öde. Was waren das für Zeiten als ich die Belgier mit ihrer hochgradig rituellen Performance im Völkerschlachtdenkmal sehen durfte. Das ist jetzt bestimmt fast 15 Jahre her. Heute ist die Band nur noch ein schwacher Abklatsch dieses großartigen Projektes auch wenn es durchaus schöne Momente in ihrem Auftritt gab. Schade.

Nächste auf dem Spielplan waren die belgischen MILITIA, die wieder ordentlich vom Leder zogen und mit ihrer anarchistischen Rhythmus-Industrial-Ambient-Mischung für ordentlich Stimmung sorgten. Manche Mitmenschen behaupten zwar, die Belgier kopierten nur Test Dept. aber selbst wenn es so wäre, gefällt mir das tausend Mal besser als all die Mäuschenschieber. Da ist Energie drin, eine Energie, die das Publikum am Ende der Show per Stock auf die Fässer auf der Bühne übertragen durfte. Geiles Happening, das und im Unterschied zum UNRUH-Projekt als gelungen zu bezeichnen.

Nach diesem Highlight fielen wir bei der illegalen UNSERE INDUSTRIE-Party ein. Zur Location, einer echt abgefuckten Halle der Bahn mit fetten Löchern im Fussboden ging es durch Hinterhof und Garten, an einem Zaun vorbei und unter einer Brücke durch. B°TONG und FEINE TRINKER BEI PINKELS DAHEIM durfte ich noch live erleben. Danach ging ich zur Tanke um Nachschub an Flüssignahrung zu besorgen. In der Zwischenzeit hatte die Ordnungsmacht vom Gelände Besitz ergriffen und den Krach beendet - die verbleibenden Künstler durften nicht mehr spielen. Insbesondere John Murphy und John Evans von Last Dominion Lost waren wirklich angepisst. Schade.


Es folgten Ausflüge zur Moritzbastei (auf den Fotos ist es schon wieder hell!!!) und in die Sixtina zum gepflegten Absturz mit Absinth. Die Bilder von diesem Abschnitt des Festivals bleiben aber unter Verschluss :-)


Sonntag ging es dann auf in das Heidnische Dorf, da ich hier mit Freunden verabredet war. Vor Betreten der Örtlichkeit trank ich eine Flasche Wasser und ein Sturzbier (Flaschen darf man ja keine mit reinnehmen), was dazu führte, dass ich recht oft die Örtlichkeit oder gleich einen stillen Ort aufsuchen musst. Super Idee und nicht zur Nachahmung empfohlen, wenn nur ein paar stinkige Dixis zur Entlastung bereit stehen.

Gepost wurde bei den Heiden genauso wie vor der Moritzbastei, wo wir auf dem Weg zum Schauspielhaus noch einmal vorbei kamen. Diesen Kommentar dazu finde ich besonders schön.

Im Schauspielhaus waren wir dann definitiv "underdressed" unter all den Fräuleins und Gentlemen aber das war mir egal, denn ich wollte meine Freunde von THEODOR BASTARD wieder sehen. Ihre Musik - eine Mischung aus Pop, rituellen Sound und russischer Folkore kam beim Publikum richtig gut an (die CDS der St. Petersburger waren innerhalb weniger Minuten ausverkauft) und ich durfte das Ganze aus der ersten Reihe genießen. Nach dem Gig war das Hallo groß, leider wurde nichts aus der Wodkaseligen Wiedersehensfeier, die ich mir erträumt hatte, denn die Band hatte am nächsten Tag einen Auftritt in Poznan und das ist ja bekanntlich nicht gleich um die Ecke.

So hatten wir nach dem fantastischen Monica Richards-Konzert, bei dem die Faith And The Muse-Chanteuse ihr ein wenig an Mother Destruction erinnerndes Projekt INFRAWARRIOR vorstellte, nur wenig Zeit zum Quatschen. Bei der Gelegenheit traf ich allerdings auch Brian Lustmord, der seine Landsfrau auf der Bühne unterstützt hatte. Sehr sympathischer Zeitgenosse, der Herr! Zu Infrawarrior muss unbedingt noch gesagt werden, dass der Auftritt einer der optisch überzeugendsten war. Zwei märchenhaft gekleidete Tänzerinnen, eine Feuershow, Richards als Wicca und metaphorische Dekorationen wie ein kristallenes Schiff erfreuten die Augen ungemein. Auch die Einlage von Lucas Lanthier von Cineam Strange, der in grünen Pumps auf die Bühne kam, war definitiv sehenswert. Frau Richards zeigte sich dann im Foyer nicht für die unnahbare Diva, für die man sie hätte halten können, sondern als sehr freundliche und zu jedem Spaß bereit Frau.

Von RECOIL in der Agra-Halle bekamen wir dann nicht mehr allzu viel mit, abgesehen vielleicht von vier, fünf Songs. Die Stimmung war aber eher mäßig, hatten die Depeche Mode-Fans wohl doch eher Material von ihren Helden erwartet, ein Wunsch, der nur ganz zum Schluss erfüllt wurde. Naja, Pech gehabt. Wenn Recoil drauf steht, ist nun mal kein DM drin…

Da es schon reichlich spät war, machten wir uns auf den Nachhauseweg. Oder auch nicht. Da ich keine Fotos von der Zeit habe, kann ich mich auch nicht mehr erinnern. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir in der Moritzbastei getanzt. Oder war das am Samstag???


Der Montag begann mit einer alten Tradition - Gruftis gucken im Clarapark. Also weniger für uns, denn wir gehörten ja dazu aber für die Leipziger. War wie immer ganz nett mit allerhand lustigen Leuten auf der Wiese und dem ersten Glas Wein des noch sehr frühen Tages. Gelegentlich hüpfte ich mal in die Parkbühne, um zu sehen, was da abgeht aber so richtig viel ging nicht, weshalb ich nach kurzer Zeit wieder auf der Wiese saß.

Wir beschlossen dann, unsere Zeit lieber am Volkspalast zu verbringen, was sich auch als sinnvoll herausstellte, den hier gab es auch genügend interessante Leute.

Musikalisch eröffnete Sigillum S-Mastermind ERALDO BERNOCCHI den Abend mit einem ambienten Set, das immer rhythmischer wurde und gelegentlich ins Postrockige kippte. Feine Musik und wer die Hauptband mag, dem wird auch der Solokünstler zusagen. Die Videoprojektion war ebenfalls sehenswert.

LUSTMORD stand dann nur noch mit seinem Laptop auf der Bühne und präsentierte eine Show, die sehr an den Auftritt im Berliner Berghain erinnerte. Der Sound war nicht ganz so toll wie in der Technofabrik aber schön war's trotzdem den dunkel-finstren Ambient in diesem Ambiente zu hören.

Danach durfte ich meine persönlichen Lieblingsleipziger sehen - INADE. Wie immer war ihr mystischer Ambient live ein echtes Erlebnis, das man so (auch Dank der psychedelischen Projektionen) nicht vom Tonträger reproduziert bekommt. Einfach nur geil und ich glaube ich bin ziemlich abgegangen :-)

Der Hammer des Abends schlechthin waren dann aber CHRIS & COSEY, die die Leute im Volkspalast regelrecht um den Finger wickelten. Da merkt man halt die ganz erfahrenen und großartigen Künstler. Die Stücke fingen stets mit eher gefälligen Diskoklängen an, an denen dann so unauffällig geschraubt wurde, bis die Sounds teilweise recht experimentell waren und das Publikum trotzdem weiter tanzte. Nicht zu vergessen die lasziv verschlafene Stimme von Cosey, die noch genauso sexy ist, wie vor über 30 Jahren und die Zuhörer in ihren Bann zieht. Zu guter letzt gelang mir sogar ein richtig schöner Schnappschuss von den beiden.

Abschließend hüpften wir noch ein wenig auf der Disko in der Volksbühne, so lange, bis wir rausgeschmissen wurden. Danach ging es zum großen Teil per pedes durch die erwachende Stadt nach Hause. Was für ein geiles Festival…

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