4: Hirntod bei mir

Hirntod

Was soll ich sagen: Ich bin glücklich. Nein, nicht das „glücklich sein“, an das sie jetzt denken. Also Sex nach Plan, Kirschen auf den Kuchen oder einen Einser im Lotto. Mit glücklich meine ich die Tatsache, wenn es sich wieder einmal zeigt, wie debil unser Zeitgeist ist. Ich erzähle ihnen an dieser Stelle eine kleine, alltägliche Begebenheit, die sich letzte Woche abspielte, hier in meinen Garten oder sonst irgendwo.

Nachdem ich wieder eine Forderung vom Arbeitsamt abwehren konnte, hier ging es um viel Arbeit für wenig Geld, beschloss ich, es so richtig krachen zu lassen. Ich ging in die Vereinskneipe mit meinen Biereimer und bestellte mir bei Udo das Gesöff, das mich schon seit Jahren von einer normalen Arbeit schützte. Udo, ein adipös wirkender Mann Mitte vierzig, dem seine Frau davongelaufen ist, weil das Gerücht die Runde machte, er würde sich gern mit einer Plastiktüte sexuell stimulieren, gab wie immer wortlos das von mir Verlangte. Ich knallte ihm die erforderlichen fünf Euro auf den Tresen und entschwand vor dem Gehen noch mal schnell auf die Toilette. Naja, Toilette ist vielleicht der falsche Terminus, denn dabei denkt man zwangsläufig an Hygiene. Bei mir weckt dieser Raum immer das Gefühl, als wenn ich einem alten Tiger die Hoden lecken würde. Nur diesmal hatte ich seine Eier schon im Hals. Egal, sagte ich mir. Udo seine Alte ist nun mal weg, es findet sich keiner, der hier klar Schiff macht und seine neue Freundin, die er aus Vietnam exportiert hat, holt gerade bei der Tafel die Bockwürste für das Vereinsfest. Nach Erledigung meiner Notdurft höre ich aus einem der Aborte ein Rascheln, ganz leise aber deutlich wahrnehmbar. Ich ignoriere es jedoch und beuge mich über das Waschbecken, um mir den verschütteten Urin von meinen Händen zu waschen. Das Rascheln wird immer intensiver in meiner Wahrnehmung, ich höre ein leises Stöhnen wahr und ich denke mir, ob es nicht Udo ist, der sich mal wieder einen von der Palme wedelt und dabei eine Alditüte über den Kopf gezogen hat. Ich gehe vorsichtig an die Kabine und lausche, es ist still, ich frage zögerlich, ob alles in Ordnung sei. Es kommt keine Reaktion. Naja, denke ich mir. Ist nicht meine Sache und heute möchte ich mir mein kühles Bier aus meinen Eimer nicht entgehen lassen. Ich ziehe mir meine Hose hoch, bin im Begriff den Raum zu verlassen, da schreit auf einmal jemand auf. Ich renne zu der Kabine, trete die Tür auf und wer sitzt da? Na wer schon, der Assad! Ja, der Assad! Aber nicht alleine! Nein, auf seinen Schoss sitzt diese alte Sau von Merschel. „Hi“ grüße ich, „Was machen sie hier, bei Udo?“ Die Merschel schaut mich verdutzt an und meint, sie konstatiere den Weltfrieden. Während sie mir das ins Gesicht sagt, wedelt die Merschel-Sau dem Assad einen von der Dattelpalme. „Fuck!“, sage ich, „Das geht doch nicht, Frau Merschel! Ich habe sie doch gewählt, wie können sie mit diesen Kerl hier abhängen? Wie ich das so sage fällt mir die Doppeldeutigkeit meiner Aussage auf, denn mittlerweile sieht Assad sein Dings auch recht abgehangen aus. Die Merschel steht auf und sagt zu mir mit zugekniffenem Auge: „Hören Sie, das was Sie hier sehen, ist nie passiert. Wenn sie schweigen, werden wir ihnen eine neue Identität verschaffen, ich mache sie zu meinen X-Mann, ihre Stasi/Arbeitslosenakte werden wir natürlich schreddern.“ Hm, dachte ich mir, das klingt verlockend. An die Bild kann ich die Story nicht verticken, denn das ist ihr eigener Laden und sie und die Springer sind dicke Kumpels. Aber vielleicht könnte ich es auch an die Mopo verhökern…? Nein, das Angebot war einfach zu gut. Keine Belästigungen mehr durch das Amt, das ist eine feine Sache. Ich willigte ein und sagte zu ihr beim Gehen: „Machen sie die alte Sau fertig Frau Merschel, saugen sie den Bengel aus.“ Die Merschel schaut mich wieder an und faltete ihr Hände. Oh, dachte ich, jetzt aber nichts wie weg hier, sonst knallt die mir noch ein Spardiktat rein. Aber das war noch nicht die Geschichte die ich erzählen wollte, das Beste kommt noch. Ich gehe zu Udo, der noch immer hinterm Tresen rumlungert. Als ich um das Eck abbiegen will, sehe ich hinterm Tresen den Udo unten ohne stehen. Ich denke mir, Mensch was ist denn hier los? Tue aber so, als sei alles in Ordnung, nehme meinen Eimer, richte meine Grüße an die Gattin aus und verschwinde, ohne mich umzudrehen.

Im Garten angekommen, setze ich mich auf die Veranda und schalte meinen Fernseher ein. Es läuft gerade Punkt 6 auf RTL, Sie wissen, der Sender für die debile Masse. Katja Burkhard, der lispelnde Drache berichtete gerade über ein Gipfeltreffen der Merscheln mit Assad, beide zusammen im VEB Kombinat Wolfen Bitterfeld, Werksschau und Werksverkauf von Senfgas. Darunter steht am Bildrand eingeblendet „Sponsoring bei Schleckler und Bloch“. Ich denke mir, „Mensch das ist krass. Hier im TV und jetzt bei Udo. Sollte ich nicht doch die Story verkaufen?“ Aber ich habe keine Beweise! Ich denke mir, „Ruf doch bei deinen Kumpel Ansage an“, doch der hat momentan den Arsch voller Probleme. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn der sitzt jetzt im Knast und muss sich die Zelle mit solchen Typen teilen, die bevorzugt blonde Schweden vergewaltigen. Ok denke ich, bringt nichts. Ist auch egal, denn das Angebot mit X-Mann ist einfach top. Ich schalte die Glotze ab und zieh an meinen Strohhalm, der in meinem Biereimer hängt. Irgendwie geht mir die Sache aber nicht aus den Kopf. Ich stehe auf und gehe noch einmal zu Udo, doch der Laden ist zu. Ich denke, „Naja, es ist ja auch schon spät“. Also laufe ich aus der Sparte Richtung Telefonzelle und ziehe einen Groschen aus meiner Latzhose. Ich rufe jetzt meinen alten Kumpel Adolf an. Wir kennen uns schon seit 45, damals waren wir bei einem veganen Kochkurs, geleitet wurde die Session noch von Sara Wagenburg, einer tollen Braut! Ich rufe also an. Ja Mann, wie war noch mal die Nummer der neuen, neuen Reichskanzlei. Ich krame in meiner Zettelwirtschaft herum und finde eine Visitenkarte.

Auf der steht: Für dich mache ich mich zum Diktator, blitzschnell und sauber. Genau das ist es, was ich suche.

Ich wähle die geheime Geheimnummer 112. Am anderen Ende der Leitung nimmt jemand ab: „Polizeirevier blabla Obersturm äh Obermeister Zschulla“. Ich sagte das Geheimwort, fünfmal die null blablabla, er stellt mich durch. Nach einer gefühlten Sekunde meldete sich „Rotweinharry“ Harry Tisch: „Reichskanzlei Blitzschnell“. „Ja“ sage ich. „Hier bin ich, ist der Adolf da?“ „Nein der ist gerade auf Urlaub bei den Netanjahu“, entgegnet Rotweinharry. „Die machen eine U-Bootsfahrt am Starnberger See. Was kann ich für dich tun?“ Ich sage „Pass auf, der Adolf soll mich dringend zurückrufen. Pronto!“ Harry springt am Telefon auf: „Geht klar Genosse, noch was?“ Ich denke kurz nach: „Ja. Ruf mal die alte Zschäpe an. Die Schlampe soll vorbeikommen und meine Bude mal wieder auf Vordermann bringen!“ „Ist gebongt, Genosse“, zeigt sich die rote Nase diensteifrig. Gesagt getan, ich bewege mich wieder zur Sparte. Als ich zum Gartentor komme, fährt eine VW Limousine vor. Ich gehe an das Auto und klopfe an die Scheibe, sie ist dunkel getönt. Ein Fenster fährt herunter und wer sitzt da? Na, wer? Der dicke Hermann! Ich frage mich, wie die fette Sau hierher kommt. „Na Hermann, was machen die Hämorriden? Alles im Lot? Und was treibt Dich hierher?“ „Ich habe dich gesucht. Ich wollte dich fragen, ob du heute mit nach Halle kommst, in den Puff?“ Hm, denke ich mir, in der Glotze läuft nichts und das Bier ist jetzt auch warm. Warum also nicht, ist mal was anderes. „Wo soll es denn hingehen?“ „In den braunen Salon“, antwortet der Dicke und ich steige ein. Denn den Salon kenne ich. Die Vorsteherin ist die ehemalige Familienministerin Schröder, die ist jetzt mit diesem Gysi verheiratet. Sie ist damals aus ihren Amt geflogen wegen zwei Affären. Bei der einen ging es um einen Schwarzgeldkoffer von Kofferwolle, der unter ihren Schminktisch lag und dann musste sie sich auch noch für die Homoehe einsetzen! Die Schröder ist schon echt blöd aber den Laden schmeißt sie mit Gregor gut.

Also fahren wir auf die Reichsautobahn Richtung Halle, der dicke Hermann sieht aus wie eine Tunte vorm Herrn. Die Reise führt uns eine halbe Stunde durch die Pampa. Das Haus ist von hohen Mauern und Stacheldraht umgeben, eine alte Leuchtreklame deutet auf das zwielichtige Gewerbe hin, das hier ausgeübt wird. FDGB-KDF Naherholung betrieben durch Devisen aus der HO. Wir steigen aus und werden gleich vom hündisch ergebenen, sich ständig verbeugenden Pförtner Zillich empfangen. „Na Zillich alles fit im Schritt? Was machen deine Eiermaler oben in der Lausitz?“, fragte ihn der Hermann. „Alles in Butter, mein Herr, unsere Herrin die Merschel ist auch hier“. „So ein Mist“ stöhnte Hermann. „Die hat uns noch gefehlt, gehen wir mal rein und schauen was hier abgeht.“

Der Hermann drückt seinen beleibten Körper durch die schmale Tür, ich hinterher, in der Hoffnung, dass es ein stressfreier Abend wird. Hermann bestellt sich an der Bar eine Clubcola, zieht genüsslich an seinen Strohhalm und sondiert das weibliche Personal. „Alles erste Sahne“, sabbert der Zillich in gebeugter Haltung zu Hermann. „Haben die überhaupt einen Vermittlungsgutschein von der Reichsarge?“, fragt der Dicke. „Ja, ja, mein Herr, alles Zeitarbeit und sie sind ideologisch getrimmt. Die können beim nächsten Machtwechsel noch mithalten. Frisch aus den Neuen Ländern, anpassungsfähig und anspruchslos, keine Ausländer“. Oh Mann, denke ich, fünfzig Jahre nach der missglückten Revolution und immer noch diese Vorurteile. Naja, unsere Führerin erfüllt ja auch die entsprechenden Klischees. Mensch dachte ich mir, der Adolf ruft nicht an wo steckt der blos“?

Was unser Freund nicht wusste: Adolf sitzt in der Reichskanzlei und schaut Pornos mit seinen Getreuen. Die Mädels im Club haben sich wieder ihrer Kundschaft zugetan. „Die eigentlichen Stars kommen noch“, säuselt der Hermann mir in mein taubes Ohr. Wir werden von Zillich in ein Kellergewölbe geführt. An der Wand steht Bormann schon gefesselt, nackt, mit einer Feder im Arsch. Noch weiß ich nicht, was hier passieren wird. „Na Bormann du linkischer Sack, was machst du hier?“, fragt Hermann abschätzig. „Der Führer hat mir heute frei gegeben. Er arbeitet an so einer Erfindung, daher dachte ich mir, fährst du mal nach Halle in den Puff und hast Spaß“. „Ja, den wirst du haben“, meint Hermann und schaut ihn verlegen an. Zillich, immer noch in gebeugter Haltung, schiebt einen Käfig mit gackerten Hühnern herein. Ich frage mich, was die mit den Viechern anfangen. Ich kann aber nicht zugeben, dass ich das nicht weiß, doch da eröffnete mir der Zillich: „Heute ist Chickedayleday“. Ah so, denke ich. „Und was soll das werden? Rupfen wir die oder essen wir sie“? Zillich lacht verlegen. „Nein mein Herr. Die Hühner werden vom Hermann gevögelt und Bormann muss zuschauen. Später kommt unsere Führerin Merschel hinzu und bumst die beiden“. „Das ist doch Tierquälerei“, lege ich energisch Protest ein, doch Hermann hört schon nicht mehr zu: Er hat sich einen braunen Schuss in die Arme gesetzt und ist völlig benebelt. Bormann wippt an seinen Ketten hin und her und ich beschließe mich heimlich abzusetzen, da ich keinen Bock auf diesen Mist habe.

Ich beschließe, mich von Mixas Fahrer nach Hause bringen zu lassen, vielleicht ist der Udo ja wieder da. Auf der Fahrt nach Hause, klingelte das Autotelefon, Mixa meldet sich zackig. Als er die Stimme am anderen Ende der Leitung hört, macht er eine tiefe Verbeugung. Bei der ruckartigen Bewegung fällt er fast nach vorn um. „Mensch Mixa, du Pflaumenaugust, pass auf“, schreie ich ihn an. Er wird rot im Gesicht, dreht sich um will mir eine auf die Fresse hauen, doch ich zucke zurück.Als er sich beruhigt hat, gibt er mir das Telefon. „Der Führer ist dran“, herrschte er mich an. Ich frage: „Der im Vatikan oder unser Alter?“ Er dreht sich jedoch nicht um und schmollt vor sich hin. Ich nehme das Telefon. Am anderen Ende der Leitung ist mein Adolf. „Na Adolf, was macht die entartete Kunst?“, frage ich ihn launig. „Bestens mein Lieber“, antwortet er gütig und setzt im schärferen Ton hinzu: „Was ist so dringend, dass du mich heute störst“? „Ich will eigentlich nur wissen, warum der Assad mit der Führerin auf dem Klo rumgemacht hat.“ Adolf räuspert sich leicht verlegen: „Ach die Merschel! Die hat da so einen Deal mit dem roten Kreuz geschlossen. Der Assad will Urinunterlagen aus Gummi aus Deutschland kaufen, da wir weltweit Marktführer sind und da haben die sich auf mein Anraten hin getroffen. Mache dir mal keine Sorgen!“ Nach einer kurzen Pause meldet sich der Führer wieder: „Ach so, kommst du nächste Woche mit zu Mussolini? Der Spaghetti Fetischist hat uns eingeladen zum Chef vom Vatikan. Pinkelspiele und so, wird sicher eine tolle Sache.“ „Nein“, sagte ich, „Ich muss leider ablehnen, ich habe da schon etwas vor.“ Adolf ist etwas traurig: „Na gut, melde dich, falls du doch noch kannst“.

Das Gespräch ist beendet, ich steige aus den Auto laufe die verbleibende kurze Strecke nach Hause. Wieder daheim angekommen, meldete sich der Hunger bei mir. Mein erster Gedanke: Der Udo macht mir bestimmt noch eine Bockwurst. Ich gehe also zu Udo, der jetzt wieder da ist und seine Hosen anhat. Ich setze mich an den Tresen und bestelle eine Büchse Bier und eine Bockwurst. „Mensch Udo, du altes Haus! Ich mag dich, bei dir ist alles beim Alten. Du bist nicht so abgedreht wie die anderen“. Udo schaute mit seinem debilen Blick ins Leere und gibt mir wortlos eine Karo aus. Ich ziehe dran und beschließe, mich in meinen Garten zu setzen. Ich packe also mein Zeug und verabschiede mich von meinem Udo. Im Garten angekommen, setze ich mich auf meine Hollywoodschaukel rauche die Karo zu Ende und schalte die Glotze an. Es lief gerade der Schwarze Kanal mit Eduard Escher. Mensch, ich und mein Leben, ich bin froh wie es ist. Mir ist es nie langweilig, Gott bewahre, dass ich wieder auf die Arge muss. Ich schaue in den Himmel und in der Ferne höre ich das Gaggern von Hühnern.

Mädchen June

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