V.A. - Chaos (CD, HORUS CyclicDaemon)

Schon allein das Äußere dieses Samplers weckt bei Sammlern Begehrlichkeiten. Statt im Plaste-Case kommt der Tonträger in einem schick gestalteten Pappcover, das – und das ist der eigentliche Clou – in einem wundervoll gestalteten Heft liegt. Jedem beteiligten Projekt ist eine Seite zugeordnet, die wiederum mit oftmals mystischen Kunstwerken beeindruckt. Das ist sehr schön und rechtfertigt an sich schon den Kauf der CD. Aber selbstverständlich steht die Musik im Mittelpunkt eines jeden Tonträgers und die kann sich auf „Chaos“ auch hören lassen.
Los geht es mit dem immer etwas mulmig klingenden, dunkel-romantischen Klängen von MURDEROUS VISION und dem kosmisch-sphärisches Ambient von AH-CAMA-SOTZ. Mit POLYGON erweitern abgefahrene Horror-Drones das Klangspektrum. Einer der Höhepunkte von „Chaos“ ist für mich COTTON FERROX mit ihrer „Revolt Against The Modern World“. Ein creepy „Pop“-Stück wie es auch Coil kaum besser gekonnt hätte, mit echtem Schlagzeug, einer tropfenden Basslinie, allerlei schrägen Klangflächen, die durchs Gehör trudeln, und einer hypnotischen Stimme, die den Hörer gefangen nimmt sowie spannenden Samples. Eine echte Entdeckung aus meiner Sicht.
Im Anschluss zeigen NO FESTIVAL OF LIGHT & SATOR ABSENTIA, was passiert, wenn man Dark Ambient mit experimentelleren Sounds zusammen bringt, die entstehende Mischung aus Drones, Noises und Samples ist auf jeden Fall extrem „psycho“. Ähnliches lässt sich über den Beitrag von 4TH SIGN OF THE APOCALYPSE sagen, die allerdings ohne Noise auskommen, dafür „echte Geräusche“ untermischen und mit einem hypnotischen Gesang fesseln. Die extrem nach hinten gemischten Bassbeats verstärken diese Wirkung ebenso wie die schrägen Musiksamples, das mantrahaft wiederholte „Are you a good witch or a bad witch“ oder die leicht dissonanten Harfenklänge. Nach diesem recht komplexen Stück wird es etwas lichter, wenn ONTARIO BLUE ihre sanfte, romantische Keyboard-Musik zum besten geben. Die Grenze zum Kitsch ist allerdings eine dünne. Dass hinter diesem Projekt Stephen Pennick von Endura steckt, ist einigermaßen überraschend...
EXOTOENDO und LECANORA sind beides Projekte des Franzosen Cyril Herry, das hier veröffentlichte Stück verbindet Musique concrete-Elemente mit einem dunklen, kalten und sehr körperlichen Ambient. Ein weiteres eher Horrofilmtaugliches Stück.
DREAM INTO DUST gehen in eine ähnliche Richtung, wobei ihr Stück seine Dunkelheit vor allem aus den beschwörenden Stimmen über schwach pulsierenden Drones zieht. Der Umschwung zum Gitarrenloop kommt etwas überraschend und passt aus meiner Sicht nicht ganz so zum Anfang des Titels. Als das Saiteninstrument dann verschwindet, bleiben nur noch dunkle Dark Ambient Flächen. Insgesamt ein eher nicht so konsistentes Stück.
Das bringen THIS MORN OMNIA irgendwie besser. Nach anfänglich ambienten Klängen, gesellt sich ein nicht zu energetischer Ethnorhythmus hinzu. Nach über vier Minuten Spieldauer überlegt es sich der Künstler dann nochmal und legt einen Zahn zu, reichert seinen Sound mit synthetischen Geigen und Fanfaren an. NADHA aka Sandy Nys von den Hybryds bringen ein recht untypisches Stück zu Gehör, das aus allerhand wirren Stimmsamples besteht und später von einer Dronefläche überlagert und schlussendlich von Bassdrones zermahlen wird. Mit O QUAM TRISTIS wird's dann noch einmal richtig liedhaft, mit Keyboardchören, einem elektronischen Rhythmus und dunklem Männergesang, der leicht liturgisch klingt.

„Chaos“ ist nicht wirklich chaotisch, dafür im Rahmen der experimentellen elektronischen Musik recht abwechslungsreich, wobei hier vor allem die Freunde ruhigerer, mystisch angehauchter Klänge auf ihre Kosten kommen.

 

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