Wannsee-Kompilation 10/07 (CD, Wannsee)

Es ist schon lustig: Wenn man Radio macht oder auflegt, bekommt man nicht selten so genannte Bemusterungs-CDs gestellt. Manchmal auch Musik von Leuten, die einen überhaupt nicht interessieren. So wie von den zahlreichen Projekten eines gewissen Nik Page, seines Zeichens "Urgestein" der Blind Passengers, wie es im beiliegenden Waschzettel heißt. Meiner ganz persönlichen Meinung nach gehören sowohl Page als auch seine Band zu den absolut überflüssigen Erscheinungen der aktuellen "Gothic-Szene". Zwar wird die Musik als Electro verkauft, doch ist bei ihm selten irgendwas von spannenden elektronischen Klängen zu hören. Der Anspruch einer Club-Hymne trifft es da schon besser, wenn man unbedingt zu stampfenden Euro-Trash-Pop oder -Techno tanzen will. Der Unterschied zu Blue System & Co. ist nur marginal. Nun gut, Nik Page hat eine bessere, wenn auch angestrengt böse klingende Stimme als Dieter Bohlen aber das will nicht unbedingt viel heißen. Musikalisch spielt man etwa in einer Liga, wenn auch sicher nicht kommerziell. Ohne größere Ab- oder in dem Fall Aufstriche lässt sich das Gesagte auf alle hier vertretenen Projekte übertragen, an denen Nik Page mitwirkt. Ich frage mich nur, warum das Ganze immer auf die Schwarze Szene zielt, wo der Sound doch besser in die Großraum-Diskos des Landes passt. Dies wird wohl das ewige Geheimnis der Macher sein. Der noise remix von "Kommunion" zeigt zudem sehr schön, welch seltsames Verständnis man am Wannsee von Noise hat. Na und über die Texte muss man glaube ich keine Worte verlieren. Schwachsinn pur! Elecropop feat. Carmen Rivera liefert in dieser Beziehung den absoluten Höhepunkt.
Digital Factor entsprechen in der Machart dann schon eher dem, was man sich unter Electro vorstellt. Wirklich aufregend ist das ganze aber trotzdem nicht, wofür auch der öde, klischeetriefende Text sorgt.
Völlig aus der Reihe fallen Die Skeptiker und Songs Of Lemuria. Erstere mit ihrer Rockmusik mit Punk-Attitüde. Harte Gitarren, Balanskats eigentümlicher Gesang und energetischer Schlagzeugeinsatz machen die Gruppe noch immer zu einem der interessantesten Überbleibsel der End-DDR-Szene. Songs Of Lemuria präsentieren eine recht nette, klassisch instrumentiert Cover-Version des Doors-Klassikers "End Of The Night". Auch wenn ich persönlich das Original vorziehe, muss man den Herrschaften schon bescheinigen, dass sie ihr Handwerk verstehen. Der zum Teil an Kate Bush erinnernde weibliche Gesang gibt dem Stück eine zusätzliche, interessante Note.

Eine Anmerkung noch zum Labelnamen: Bei der so genannten Wannsee-Konferenz wurde die "Endlösung der Judenfrage" beschlossen. Nun gehöre ich nicht zu den Menschen, die überall Nazis sehen, vielmehr glaube ich, dass das Ganze wieder einmal für den relativen sorglosen und oberflächlichen Charakter der Kunstschaffenden spricht. Ist schon etwas doof.

PS: Den DJ-Bogen mit Fragen wie welcher Titel sich im Club durchgesetzt hat, werde ich selbstverständlich nicht zurückschicken. Ist eh schon zu spät.


Titel:
1. Kash & Nik Page - Kommunion
2. Kash & Nik Page - Kommunion t.o.d. mix
3. Electropop feat. Nik Page - Sincity
4. Cromax International - Electric Pussy Boogie
5. Nik Page - Vicious Girls
6. Die Skeptiker - Kein Weg
7. Die Skeptiker - Der Rufer in der Wüste schweigt
8. Kash & Nik Page - Project Pitchfork mix
9. Digital Factor - Dein Herz
10. Kash - Körpertriebe infinite beat-mix
11. Kash & Nik Page - Kommunion noise mix
12. Electropop feat. Carmen Rivera - Education
13. Songs Of Lemuria - End Of The Night


zurück        nach oben