V. A. - Steinklang Industries Festival 28-29-30/10/2004 Vienna
(LP, Steinklang)

Fast ein Jahr ist es jetzt schon her, dass diese LP in meinem Plattenschrank lagert. Höchste Zeit also, endlich mal etwas darüber zu schreiben. Der Tonträger erschien - wie der Bezeichnung leicht zu entnehmen - aus Anlass des letztjährigen Steinklang-Festivals in Berlin. Vertreten sind alle 14 Künstler / Projekte, die sich an drei Abenden ein Stelldichein im Club "Monastry" gaben (Rezi zum Festival). Die vorliegende LP gibt damit auch einen guten Überblick über das Klangspektrum des Labels.

SIMON SCHALL gehen mit der Technobrechstange vor und donnern ihren Titel relativ abwechslungsfrei ins Gehör. Anfänglich fand ich das Werk eher bekloppt, mittlerweile kann ich mich als potentieller Tanzflächenfüller damit anfreunden. Die nachfolgenden OPERATION JULMOND und CODE 243 bieten eine Mischung aus Ambient und Industrial, langsam aber kraftvoll, mit Sprechgesang unterlegt. Im direkten Vergleich geht Julmond mit dem ansprechenderen Organ als Sieger hervor, auch wenn die doofen Pornosamples nerven. DKF gehen den Weg des maximalen Widerstandes und hacken mit ihren Techno-Industrial alles um, was im Wege steht. Der Titel "Lärmpegel Maximum" ist dabei Programm. Platz für Differenzierung bleibt da keiner. Aber ebenso wie Simon Schall animieren DKF die Zappelfraktion mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. TORMENTUM ist dann wieder eher etwas für die Schmerzsüchtigen unter den Industrialhörern. Ein Panzerkettenloop, mit kreischenden Geräusche der überrollten Opfer garniert, dazu verzerrte Hass-Vocals. Nicht viel anders klingen LEICHE RUSTIKAL, wenn diese ihr Stück auch in wesentlich höheren Frequenzbereichen abfeiern. Den Abschluss der Seite und für mich den Höhepunkt des Ganzen bilden THOROFON mit ihrem Titel "Soft Target". Selbiger kommt dezent zurückhaltend mit einer schrägen fast noch poppigen Klängen, die sich sofort ins Gehirn bohren, ähnlich der letzten Haus Arafna-Veröffentlichung. Dazu gibt es eine angenehm propagandistische Sprechstimme. Leider ist das Stück viel zu schnell zu Ende…

Ordentlich rumpelnd gehen auch PAINSLUT zu Werke, obwohl sie ihr Stück ausdifferenzieren. Zum wenig veränderlichen Rhythmus gesellt sich eine sphärische Keyboard-Melodie und auch der stimmliche Beitrag kontrastiert gekonnt. Dann dudelt der Dudelsack, die Landsknechttrommel trommeln , eine Keyboardmelodie spielt und irgendwer kreischt "die Fahne hoch". (Ab hier wurde der Text aufgrund einer Diskussion im Neo-Form-Forum geändert. Die Gründe dafür sind in diesem Forum nachlesbar.) Das ist mir eindeutig zu martialisch und wirkt auf mich hauptsächlich abstoßend. WAPPENBUND sind eindeutig nicht mein Fall.

RADIO MURMANSK bieten etwas beschleunigten Ambient mit einem fast schon als Computerspiel-Soundtrack geeigneten Anteil. Dazu kratzt und rauscht es. Mit dem Beitrag von STAHLWERK 9 folgt auf dieser Platte das erste richtige Ambient-Stück - ein sehr dezenter Loop, zahlreiche Sprachsamples, die klingen wie militärischer Sprechfunk und eine sich langsam aufbauende Stimmung, die durch einen Herzschlag transportiert wird. SEKTION B liefern den für die so typischen Power Noise mit wunderbar kranken Samples aus "M - eine Stadt sucht einen Mörder". Für mich ein weiteres Highlight. A CHALLENGE OF HONOUR, die mir schon alleine wegen ihres Namens und ihrer super-pathetisch-heroischen Art auf den Wecker gehen, präsentierten sich hier einmal etwas zurückhaltender. Eine schwelgerische quasi-klassische Keyboardmelodie, Trommeln und rezitativer Vortrag - ganz nett, aber nicht der letzte Schrei. Richtig genial zeigen sich dagegen ATROX. Das japanische Sample von Betonmonolith ist schlichtweg der Hammer und auch musikalisch weiß das Stück mit seinem Grillengezirpe und den bohrenden Loops zu überzeugen. Ambient at it's best.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Platte ebenso wie das Festival für jeden Geschmack was bereit hält und somit sowohl als Überblick über das Steinklang-Repertoire als auch als Dokument die Anschaffung lohnt. Nicht 100%ig zufrieden bin ich mit dem recht dünnen Vinyl und dem schwachen Pegel der Aufnahmen.

 

Titel:

A-Seite: 1. Simon Schall - Der Wanderer 2. Operation Julmond - The Good In Men 3. Code 243 - Loneliness Is An Act Of God 4. DKF - Lärmpegel Maximum 5. Tormentum - Run... 6. Leiche Rustikal - Screams 7. Thorofon - Soft Target

B-Seite: 1. Painslut - Empty 2. Wappenbund - Die Fahne Hoch (Live) 3. Radio Murmansk - Befindlichkeit: Neu 4. Stahlwerk 9 - Friendship 7 5. Sektion B - Everyone's A Killer (Remix) 6. A Challenge Of Honour - Road To Vienna 7. Atrox - Betonmonolith

 

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