Das merkwürdige Haus... +++ The Depressive Appletree +++ Nussbaums Hand +++ Mädchen June


Parma Day – Das merkwürdige Haus mit den seltsamen Bewohnern (CD-R, DVD-R)


Parma Day / Mädchen June / The Neverland Stars – die Projektnamen sind verwirrend, dahinter steht stets der gleiche Musiker, der sich scheinbar insgesamt der Verwirrung der Zuhörerschaft verschrieben hat. Auch das neueste Werk, diesmal unter dem Namen Parma Day, entzieht sich komplett jeder Form popmusikalischer Stilistik. Die 13 Stücke klingen so, das

s der Engländer sie als „weird“ bezeichnen würde, bizarr, seltsam, sonderbar. Komplett elektronisch erzeugt Klangminiaturen, ohne Rhythmus oder Melodie, mehr eingefrorene Traumzustände nahe des Wahnsinns, die nicht selten an ein Orchester erinnern, das seine Instrumente stimmt. Eine kurze, sporadische Beatattacke, unverständliche Stimmen, Alltagsgeräusche, ein körperliches Pfeifen sind die sparsam gesetzten Kontaktpunkte zur Realwelt. Der Parma Day-Kosmos besteht aus einem verschrobenen, hallgeschwängertem Ambient, der den Hörer einerseits gefangen nimmt, sich ihm andererseits nicht so recht öffnen will. Instinktiv fürchtet er sich, die tieferliegenden Räume des „merkwürdigen Hauses“ zu betreten, denn hinter jeder Ecke könnte das Grauen lauern. Und wenn auch vielleicht nicht Tod und Verderben, so doch der erschreckende und verstörende Einblick in das Leben der „seltsamen Bewohner“. Eine Erfahrung der die meisten Menschen wohl lieber aus dem Weg gehen wollen.
Die Titel der Stücke tun ihr übriges dazu, dass der Konsument nicht so recht weiß was ihn hier erwartet:“ Blutige Toiletten auf halber Etage“ oder “Der Himmel ist rot, der Kaiser hat keinen Tannenbaum“ lassen alle möglichen und unmöglichen Assoziationen zu.

Mindestens genauso seltsam wie die Musik von Parma Day sind die Filme von Mädchen June. Auf der beiliegenden DVD befinden sich fünf Filme, die Titel der CD aufnehmen, auch wenn zum Beispiel aus dem Herrn Nagel der Herr Hinz wird. Die Bildwelt von Mädchen June ist eine abstrakte. Immer wieder sieht man Architekturdetails und leere Landschaften, Menschen und überhaupt Lebewesen tauchen so gut wie nie auf. Neben eigenen Aufnahmen verwendet Mädchen June auch immer wieder Filmausschnitte vom Beginn des 20. Jahrhunderts und anderes historisches Material. Auch finden sich nicht selten Kriegs-, medizinische und pornografische Motive. Die vorrangig statischen Bilder werden vorrangig verfremdet durch Farbfilter und für den Zuschauer oftmals in nur schwer nachvollziehbarer Folge montiert. Immer wieder tauchen zudem vieldeutige, Furcht einflößende Botschaften als Einblendungen auf.
„Geküsst werden sie später“ fällt ein wenig aus der Reihe, denn hier tauchen „Protagonisten“ auf und es ist Bewegung im Spiel. Ansonsten bleibt auch dieses Video wieder alptraumhaft wirr und unverständlich. Die Bildwelt von Mädchen June ist ebenso undurchdringlich wie seine Klangwelt. Eine besondere Bedeutung haben dabei Alltagsaufnahmen (Dresdner werden manches Motiv wiedererkennen), die in der von Mädchen June präsentierten Form auch stets etwas Unheimliches haben. Eine weitere Ursache für die schwere Zugänglichkeit sind die „Rollenspiele“ von Mädchen June, verwandelt er sich doch immer wieder in einen anderen seiner Akteure. Auf seinen Alben schafft er sich sein eigenes fiktives Universum, das sich mit wahren historischen Begebenheiten vermengt und so die Grenzen zwischen geschichtlicher und phantastischer Erzählung verschwimmen lässt. Die handelnden Charaktere entstammen oft dem Deutschland der Wilhelminischen Ära oder der Zeit der Weimarer Republik. Im Zentrum steht diesmal, wie es der Titel des Albums verkündet, ein „merkwürdiges Haus“ in dem allerhand schaurige Dinge geschehen.
Neben den Filmen zum Album gibt es auch einige weitere hier auf DVD, die konsequenterweise ohne Musik auskommen. Man könnte diese als eine Art Miniaturen betrachten.

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Parma Day - The Depressive Appletree (CD-R + DVD-R, Tosom)

Nein, Lebensfreude strahlt dieses Werk keine aus. Am Besten der ungeübte Konsument schaut sich zuerst die DVD an, dann weiß er, welche Welt er mit Parma Day betritt. Menschenleere, Verfall und Langsamkeit sind die bestimmenden Elemente. Bildlich wird dies durch langsame Kamerafahrten über verlassene Industriegelände umgesetzt, musikalisch vor allem durch einen sehr kalten und teils statischen, teils veränderlichen Drone Ambient. Vieles bewegt sich knapp über dem Atmosphärischen, bei "Die sich im Spiegel betrachten" wird es kurzzeitig sogar mal ein wenig martialisch. Samples sind eher die Ausnahme und wenn Parma Day / Mädchen June welche einsetzt, dann sind sie recht mysteriös, so wie die Aussagen über den Hamburger Schiffsfriedhof.
Antworten gibt Parma Day keine, vielmehr bleibt der Hörer mit dem Eindruck zurück, Zeuge von etwas Bedrohlichem geworden zu sein, ohne genau sagen zu können, worin diese Gefahr eigentlich besteht. Ein recht verstörendes Werk, das insbesondere in Verbindung mit den Filmen dem unsichtbaren Horror des Alltags nachspürt.

Titel:
1. Lili Wolf
2. Mara
3. Die Pistole in seinem Mund
4. Auf der Brücke sehen wir das Unheil kommen
5. Das was von Euch geblieben ist
6. Lili Wolf II
7. Den Sternen bis Du so nahe gewesen
8. Die sich im Spiegel nicht betrachten
9. Wo oder wer ist mein toter Freund


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Nussbaums Hand mit der Musik von Parma Day
(DVD-R + 2 CD-R, Tosom)

Auf der DVD befinden sich drei Filme, "Die Blumen des Bösen", "Parables" und "Nussbaums Hand". Laut Beschreibung stehen sie in einem direkten Zusammenhang, der sich aber anhand der Filme selbst nur schwer nachvollziehen lässt. Folgende Story wird mitgeliefert: "Herbst 1920, eine andere Zeit, der Kaiser ist weg, die Menschen ohne Illusionen.Die Straßen umkämpft, die Bösen auf den Vormarsch. Der alte Kabbalist Nussbaum verliebt sich in die schöne Francesca und er will sie besitzen doch sein Glaube an die Vernunft hält ihn noch davon ab. In seinen Alpträumen, Visionen erkennt er den Untergang, er weiss er kann nicht warten, die Bösen sind nahe, sie treiben ihn in das Unglück und lassen das Unheil beginnen."
"Die Blumen des Bösen" setzt sich aus Aufnahmen in Industriebrachen - immer wieder sind verfallene Klinkerbauten aus der Gründerzeit zu sehen - von Friedhöfen und aus der Natur zusammen, die ohne erkennbares Konzept mit einigen wenigen Filschnipseln versetzt werden - Augen, eine Boy-meets-girl-Story, eine lustvoll-leidende Frau etc. Das alles zeig sich fast menschenleer, in rot gefärbt und mit der bedrohlich wirkenden Musik von Parma Day unterlegt. Der rechte "thrill" will sich jedoch nicht einstellen, da irgendwie der rote Faden fehlt oder nicht erkennbar ist.
"Parables" beginnt mit der einleitenden Frage nach dem Sinn des Lebens, bevor es auf den nächtlichen Trip durch eine wieder menschenleere Stadt geht. Am Ende steht die Beschreibung einer Hinrichtungsmethode, im letzten Bild sieht man einen unsympathisch wirkenden Menschen in 70er Jahre-Outfit am Steuer eines Autos. Der Mann dreht sich grinsend um und schaut in den Fond seines Wagens. Was er dort sieht, wird nicht aufgeklärt, der klaustrophobische Soundtrack, der hier schon eine Weile ausgesetzt hat, lässt Arges vermuten.
Im dritten Teil kämpft sich der Protagonist, der immer nur durch seine Hand im Bild erscheint, aus einem dunklen, verfallenen Keller ans Licht. Erneut kreuzt kein anderer Mensch seine Bahn. Im letzten Teil ist er mit einer Frau unterwegs beim Gang über einen Friedhof. Die Hand greift nach ihren Haaren, Umschnitt auf eine Friedhofsskulptur. Was passiert jetzt? Diese Frage bleibt offen.
Insgesamt ist "Nussbaums Hand" eher eine recht verwirrende und verworrene Ansammlung von Bilder, die wahrscheinlich nur assoziativ zu lesen ist. Eine wirklich stringente Story gibt es nicht. Auffallend ist die Menschenleere, die sich durch alle drei Filme zieht. Das Ganze wirkt wie ein Kaleidoskop aus Stimmungen, wofür auch das quasi gefundene, nicht inszenierte Bildmaterial spricht. Die manchmal anachronistischen Details - Doppelglasfenster, Neubauten und Taschenlampenlicht bei einem 1920 angesiedelten Sujet - lassen den Betrachter schmunzeln auch wenn der Gesamteindruck eher düster ist.
Auch wenn ich persönlich mit den Filmen nicht allzu viel anfangen kann, so muss ich doch eingestehen, dass hier jemand seine Visionen unabhängig von irgendwelchen Beschränkungen umsetzt. Gelegentlich gelingen dem Künstler - Mädchen June / Parma Day / VernomLLP - dabei richtig geniale Bilder, so zum Beispiel, wenn sich ein Baum in einer Pfütze spiegelt. Alles sehr low budget und minimal aber auch fernab aller Standards und damit wohltuend anders.


Zur Veröffentlichung gehören noch zwei Tonträger, "Apfelstadt" und"Bei Paul Bormann wird getanzt". Die "Apfelstadt" scheint ein recht düsterer Ort zu sein, das vermittelt zumindest der hier angebotene Sound. Dunkelster Ambient, schleifende Loops, schmerzhafte Maschinengeräusche, fast statische Klangflächen - wirklich wohnlich klingt das nicht. Die experimentelle Musik wirkt bedrohlich kalt und extrem flüchtig -Ambient zum Fürchten. Passend dazu das Zitat auf der DVD-Box: "Stimmen im dunklen Gewirr, schweigen im hellen Schein des Nichts. Die Angst ist der Begleiter in der ausweglosen Situation des Furchtsamen."
Das vorletzte Stück auf der CD, "Nussbaums Hand 2" bleibt mit seinen an eine alte Standuhr erinnernden Sounds besonders gut haften. Ansonsten ist die Musik sehr flüchtig.

Wirklich zum Tanzen ist "Paul Bormann" nicht, wenn auch hervorragend zur psychoakustischen Konditionierung geeignet. Monotone jedoch sehr komplexe Rhythmen, flirrende Sounds, räumliche Effekte, meditative Stimmungen, verquere Bläserschnipsel. Alles ist absolut synthetisch, ohne dabei jedoch zu langweiligen. Insgesamt wirkt diese Musik ziemlich hypnotisch und verspielt wie ein abgefahrener Soundtrack, zu dem sich der Hörer den Film selbst denken muss. Oder halt nicht, siehe DVD.


DVD-R Filme
1. Die Blumen Des Bösen
2. Parables
3. Nussbaums Hand

Titel CD-R 1: "Apfelstadt"
1. Intro
2. Swing To Die
3. Eternal House
4. In The Leaving Dream
5. Parables
6. Die Weinende Francesca
7. Majev Intruo I (192 Mono)
8. Eraiga
9. Majev Intruo II (1969 Mono)
10. Nussbaums Hand Teil 1
11. Nussbaums Hand Teil 2
12. Nussbaums Hand Teil 3

Titel CD-R 2: "Bei Paulmann Wird Getanzt"
1. Spielende Zwerge
2. Romanovgasse
3. Swing To Die
4. Schwimmende Katzen
5. Bad Flowers Dancing In The Rain
6. Nussbaums Hand


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