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V.A. - Holy Mother
Russia (LP, Steinklang
International)
Auch über 15 Jahre nach Perestroika
und Wende wird das Musikschaffen im Osten Europas nur schwächlich beleuchtet,
besonders, wenn es um ein eher marginales Genre wie das des Industrial
handelt. Umso löblicher ist dieser Versuch des österreichischen Steinklang-Labels
der geneigten Kundschaft, die Szene Russlands näher zu bringen. In welcher
Form die hier veröffentlichten Projekte diese Szene wirklich verkörpern
oder prägen - diese Frage bleibt allerdings offen. Weiterführende Informationen
zu den Projekten sucht man vergebens, nicht einmal eine Internetseite
ist angegeben. Da es sich bei "Holy Mother Russia" meines Wissens um den
ersten "westlichen" Sampler dieser Art handelt, wäre ein mehr an Service
sicher wünschenswert gewesen. Bekannt sein dürfte den meisten Linija Mass,
die bereits auf Membrum Debile Propaganda veröffentlichten. Auch Reutoff
sind hierzulande längst keine Unbekannten mehr, die schrägern Lucisferrato
sind manchem vielleicht mit ihrer "Weltanschaulichen Mission" auf dem
Hau Ruck!-Label in Erinnerung.
Kommen wir aber zur Musik.
Diese zeigt sich einigermaßen einheitlich, bewegen sich die meisten Beiträge
doch mehr oder weniger im Bereich dessen, was man als Dark Ambient bezeichnet.
Nur vereinzelt weichen die Protagonisten von dieser Linie ab. Die Linie
der Massen - LINIJA MASS - beeindrucken mit schwerfällig rollenden, metallischen
Loops und propagandistischen Stalin-Lobpreisungen, so dass man sich an
einen Aufmarsch zum Tag der sozialistischen Oktoberrevolution erinnert
fühlt. Der dem Industrial scheinbar immanente Hang zum Totalitären findet
in Russland genügend Material in der einheimischen Diktatur. Wesentlich
schmerzfreier geht es beim LUNAR ABYSS QUARTET, die massive, rituelle
Drums mit einem ambientes Flimmern kombinieren, wohingegen REUTOFF eine
einfache Keyboard-Melodie mit reichlich dumpfen Geräuschen garnieren.
Nicht wesentlich anders präsentieren sich SAL SOLARIS, denen es aber am
besten gelingt eine wirklich bedrohliche Atmosphäre zu schaffen.
Die zweite Seite eröffnet mit BARDOSENETICCUBE, die uns wieder mit rollenden
Loops unterhalten. Dazu gibt es einen verqueren "Gesang", der offensichtlich
von einem russischen Trinker stammt. STALNOY PAKT zeigen sich dagegen
wesentlich abwechslungsreicher. In seinem Verlauf verändert sich das Stück
von schwelgerisch-ambient hin zu einem noisigen Höhepunkt, um am Ende
wieder zum Ursprung zurück zu kehren. LUCISFERRATO kreuzen verwehende
Akustikgitarren mit ebenso entrückten Trommeln und sakralen Chören zu
einer abgehobenen, akustischen Traumsequenz. HUM schließen sich dieser
Tendenz, wenn auch rein elektronisch an und laden ein zu einem akustischen
Helikopterflug über weites Land.
Insgesamt zeichnet "Holy Mother Russia" also ein eher "ruhiges" Bild der
russischen Szene, doch ich denke das wäre einseitig. Ein wenig mehr Abwechslung
hätte hier sicher nicht geschadet. Schlecht ist das Ganze trotzdem nicht,
wenn auch, wie gesagt, eher etwas für die Ambient-Freunde. Die Platte
eignet sich somit besser für den heimischen Genuss unter Kopfhörern, als
für die Disko. Gegen letzteres spricht auch die eher mittelmäßig Klangqualität
der Platte, was sicher zum Teil den beschränkten Aufnahmemöglichkeiten
der Künstler geschuldet ist oder aber einfach am durchschnittlichen Vinyl
liegt. Die Gestaltung dagegen ist als gelungen zu betrachten, mit sehr
schön düsteren, landestypischen Bildern.
Titel:
A-Seite: 1. Linija Mass - Pesnya
A Rodine 2. Lunar Abyss Quartet - Zoloto 3. Reutoff - Black Mirror (Outside)
4. Sal Solaris - Oschchidanie
B-Seite: 1. Bardoseneticcube
- Machine 2. Stalnoy Pakt - RDA 3. Lucisferrato - Ingenuous Sign 4. Hum
- Sel Disidentification #3
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