|
V.A. - Final Muzik
Program Volume 1 (2CD,
Final Muzik)
Das italienische Label Final
Muzik veröffentlicht seit 2004 CDs. Gegründet wurde Final Muzik
von den experimentellen Musikern Deison (http://www.deison.net) und Gianfranco
Santoro. Beide waren und sind in zahlreiche Projekte involviert, haben
sich als Plattenverkäufer versucht, schreiben für Magazine und
gestalten eine wöchentliche Radiosendung auf einem Independent-Radio.
Ihr Anspruch an Musik ist der von Qualität und Originalität,
das musikalische Spektrum reicht von Electronica über Industrial,
von Neofolk bis hin zu Pop Musik (Selbstdarstellung). Die vorliegende
Doppel-CD war als kostenlose (!) Promoausgabe auf dem Steinklang-Stand
erhältlich, ich erhielt mein Exemplar persönlich von Gianfranco
CD1 beginnt mit FEHU und die
mit einem Song, der ein wenig wie eine finstere Variante von Ordo Rosario
Equilibrio klingt. Es folgt eine nette WERKRAUM-Version eines - wenn ich
mich nicht irre - irischen Volksliedes an dem sich vor langer Zeit schon
einmal The Inchtabokatables versuchten. Das Ergebnis war damals etwas
druckvoller und mehr zum Tanzen als zum Schwelgen als hier. WE WAIT FOR
THE SNOW klingen so wie ihr Bandname es nahe legt: Es passiert quasi nicht
viel abseits ätherischer Keyboardklänge.
Der nächste Titel, "Doom Control" von ANNEN BERG, sticht
aus dem Gesamtwerk heraus. Das ätherische Popstück mit zerbrechlich
wirkendem, männlichem Falsett-Gesang könnte durchaus auch aus
den psychedelischen Siebzigern stammen. APART schlagen bei ähnlicher
Stimmungslage in eine etwas andere Kerbe, hier tragen einige wenige Klavierakkorde
und eine zarte, weibliche Stimme zum großen Teil den Track, dazu
gesellen sich atmosphärische Keyboards und ein sehr dezent eingesetztes
Schlagwerk. MARIAE NASCENTI entziehen sich völlig dem üblichen
Popmusikregeln: Über schwebenden Klängen trägt eine leicht
neben der Spur wirkende männliche Stimme ihre Texte auf eine Art
vor, die sich weder als gesprochen noch wirklich als gesungen bezeichnen
lässt. Sehr seltsam und absolut gewöhnungsbedürftig. Mein
Fall ist das nicht. BLACK SUN PRODUCTIONS kehren dann wieder auf etwas
"normalere" Pfade zurück: Ein treibender, wen auch etwas
simpler Rhythmus, mystisch gehauchte Stimmen und die allgegenwärtigen
Keyboards, die hier nach Geigen klingen. Ganz nett anzuhören aber
nicht wirklich diskotauglich, da die Pausen zwischen den Rhythmusdominierten
Stücken einfach zu lang sind.
INDUSTRIAL IMPLANT erinnert dann von der Stimmung her an die ruhigeren
Stücke der neueren Einstürzenden Neubauten. Ein konkretes Beispiel
habe ich leider nicht parat. Der Sprechgesang klingt recht ähnlich
wie der Blixas und auch der sich entfaltende, jedoch insgesamt eher statische
Sound ähnelt manchem Werk der Deutschen. Manch anderer hört
hier vielleicht aber auch Parallelen zu Cold Meat-Werken.
Zu ALLERSEELEN gibt es nicht viel zu sagen: Die klingen wie immer völlig
schräg und daneben. Wahrscheinlich kann man diese Musik nur lieben
oder hassen. Ich wünschte mir, Herr Kadmon würde das Singen
lassen. Ein echter Kandidat für die Skip-Taste
Die bringt uns
direkt zu STURMPERCHT und auch hier gibt es absolut nichts Neues zu sagen.
Lustiger Rumpelfolk, in dem es meist um irgendwelche Legenden geht.
STRUGGLE FOR THE SNUGGLE FACTORY bieten ein vor sich hinplätscherndes,
leicht klassisch angehauchtes Folk-Stück, das schnell den Nervgrenze
überschreitet. Auch gesanglich ist das Ganze eher nicht so der Hit.
INSTITUTION D.O.L. sind hingegen immer für eine Überraschung
gut. Diesmal liefert das Projekt einen melancholischen Popsong ab. Die
Stimme ist einfach nur toll - nur knapp neben der von And Also The Trees-Sänger
Simon Huw Jones. Ist das wirklich der Meister aus Österreich?
L'ECRIN DEL LA MISÈRE gehen in eine ähnliche Richtung, sie
zeigen sich melancholisch und dazu ein wenig pathetisch. Nur von der Abmischung
her hätte der Song etwas mehr Druck verdient. Die nächsten im
Reigen - ALBIREON - gefallen mir überhaupt nicht. Das ist der typische
langweilige, naive Neofolk und das auch noch mit italienischen Texten,
die ich leider nicht verstehe. Also kann mich das Stück auch auf
dieser Ebene nicht ansprechen. NORTHGATE setzen die Reihe der melancholischen
Popsongs fort, wobei hier noch eine Note Martialisches hinzukommt. Das
klingt erstmal widersprüchlich, ist es aber nicht. Während die
Gitarrenklänge eher sanft dahinschweben, wirken Rhythmus und Gesang
von verhaltener Aggression durchsetzt.
Den Abschluss dieser in Summe sehr ruhigen CD bilden AARDVARK mit einem
seltsam übersteuerten Instrumentalstück, wobei nicht ganz klar
ist, ob das so gewollt ist oder nicht. Kratzte der Sound nicht so, könnte
man das Ganze als Martial Industrial bezeichnen, so ist wohl eher Martial
Noise der passende Ausdruck.
Die zweite CD enthält
zahlreiche dunkel-ambienten Stücke und eignet sich kaum dazu, die
Lebensgeister zu befeuern. Während STAHLWERK 9 sich in eher neoklassischen
Klangwelten bewegen und mit reichlich synthetischen Streichern zu Herzen
gehen, setzen TESTING VAULT auf sehr dunkle, fast schon Angst einflößende
Sounds die eher an die Geräusche großer gefährlicher Tiere
unter Wasser erinnern. CORPOPARASSITA bedienen sich dann wesentlich "hellerer"
Klänge, sorgen aber mit ihren nur geringfügig variierenden Dronesounds
ebenfalls für eine Paralyse des Hörers. Nicht wesentlich anders
geht es bei VERHÖREN zu, die mit ihrem Track irgendwo zwischen Stahlwerk
9 und Corpoparassita liegen. Etwas dynamischer präsentieren sich
H2S, die ihren Namen offensichtlich dem infernalisch stinkenden Gas Schwefelwasserstoff
entliehen haben. Das instrumentale, vollsynthetische Stück verfügt
zwar nicht über eine richtige Songstruktur aber immerhin wird die
leicht martialische Stimmungsentfaltung mit einem Rhythmus vorangetrieben
und die Wechsel vollziehen sich mit nachvollziehbaren Geschwindigkeiten.
Das unter dem sehr merkwürdigem Projektnamen WELLENWERKMANN NEUROSONOLOGICAL
RESEARCH STATION auf dieser Compilation auftauchende Stück entfernt
sich nur wenig von diesem Ansatz, geht dabei klanglich jedoch mehr in
Richtung typischer Ambient-Sounds ohne den Vorsatz "Dark". Ein
Stück wie man es eher aus dem Bereich der elektronischen Tanzmusik
kennt, wenn auch der alles dominierende Rhythmus fehlt. MUSHY gehen von
diesem Punkt wieder einen Schritt zurück in Richtung Statik. Das
Stück - "Respiro" heißt ja auch Atmen - erscheint
wie die vom Wind herangewehten Geräusche, zu denen sich von Zeit
zu Zeit mystisch anmutende instrumentale Klänge, das Krächzen
von aneinander reibenden eisernen Gerätschaften und nicht zu vergessen
eine sehr "spooky" wirkende weibliche Stimme, die mantrahaft
"respiro" wiederholt, gesellen.
Wer bis jetzt eher mit einem halbem Ohr zugehört hat und ein wenig
abgedriftet ist, der wird von FLUTWACHT wieder auf den Boden zurückgeholt.
Innerhalb eines Sekundenbruchteils stellt das umtriebige Projekt eine
"wall of sound" in den Raum, an der niemand vorüber kommt.
Der Anfang - noisiger Ambient mit einem Touch mystischer Stimmung - würde
sich ganz hervorragend zur Untermalung einer appetitlichen Szene in einem
Thriller eignen. Später geht das Stück in einen kaum veränderlichen
Drone über, der knapp am Klang einer Werkssirene vorbeischrammt.
Etwas Abwechslung bringen auch NOCTURNE ins Klangbild, weil sie ihr Stück
mit einem kurzen Spielmannszug-Sample einleiten. Dann werden aber die
Bassfrequenzen bis zum Verzweifeln gequält, dass selbst H.P. Lovecraft
ein Schauder über den Rücken liefe. Ein wenig mehr Druck wäre
hier jedoch wünschenswert gewesen, der Sound bleibt insgesamt sehr
verhalten. Der Titel von WERTHAM ist aus meiner Sicht nur als seltsam
zu beschreiben. Über einer wenig strukturierten Klangkulisse schreit
ein Mann seine Botschaften zwischen Verzweiflung, Wut und Wahnsinn ins
Mikrophon. Wäre der Hintergrundsound aggressiver und druckvoller,
könnte man das Ganze als Power Noise beschreiben, so bleibt vor allem
ein großes Fragezeichen im Kopf zurück. Als Zwischenspiel auf
einer Platte ist der Track akzeptabel, alleinstehend ergibt er keinen
Sinn.
Nicht so ganz klar ist auch der Ansatz in der Kollaboration von DER BEKANNTE
POSTINDUSTRIELLE TROMPETER und MACELLERIA MOBILE DI MEZZANOTTE. Auch hier
sucht man vergebens eine klare Songstruktur. Vielmehr handelt es sich
bei dem Track um die Überlagerung verschiedenster Schichten - entrückter
lautmalerischer Gesang, Sprachgesang á la Joy Of Life, metallischer
Drones, Trompetenklänge und weiterer Zutaten - werden zu einem nicht
immer harmonischen Ganzen vermischt. In sich ist das Stück jedoch
stimmig, auch wenn es sich jeder Art popmusikalischer Klassifizierung
entzieht.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgen MAURICIO BIANCHI und CLAUDE ROCCHETTI,
die verschiedenste instrumentale Klänge und Geräuschquellen
recht abstrakt übereinander schichten. Das was dabei herauskommt,
dürfte eher Freunde von Nurse With Wound begeistern als Freunde z.B.
des Neofolk. Für Bianchi - den Altmeister des Industrial in Italien
- ist das Ganze meiner Einschätzung nach eher untypisch.
Der Beitrag von FABRIZIO MODONESE PALUMBO und BILL HORIST geht dann bei
klassischer Instrumentierung wieder mehr ins Liedhafte, wenn auch mit
verspielt-experimenteller Ausprägung. Der schräge weibliche
Gesang liegt leider absolut neben der Spur und vergällt dem Hörer
jeglichen Genuss. Schade, denn das sehr dynamische Stück hat ein
gutes Potential.
TEHO TEARDO ähneln im Klangbild Testing Vault, auch wenn ihr Track
"Fifeteen Minutes Without Ego" nicht ganz so düster ist.
Zu den synthetischen Klängen kommen "reale" Geräusche,
die zusätzliche Authentizität verleihen. Die sehr statische
Atmosphäre sorgt jedoch nicht gerade fürs Wohlbefinden beim
Zuhören.
Quasi völlig aus der Reihe tanzen SOGLIA DEL DOLORE mit ihrem Postpunk-Titel.
Ein echter Genuss nach all dem finsteren Klanggeschraube. Die Stimmen
der Aktivisten wünschte ich mir etwas "männlicher",
soll heißen tiefer, aber das sei mir als Joy Division-Fan verziehen.
Insgesamt aber ein sehr würdiger Abschluss des Samplers.
Fazit: Eine recht durchwachsene
Veröffentlichung, bei deren Genuss sich aber sicher das eine oder
andere "Schmankerl" entdecken lassen. Ein oder besser zwei Ohren
- ist ja eine Doppel-CD, kann man ruhig riskieren. Die Gestaltung des
Samplers ist sehr geschmackvoll, statt eines ausführlichen Booklets
gibt es Hinweise zur Herkunft der Titel sowie Internetverweise zu den
Projekten. Das sollte für die weitere Beschäftigung eigentlich
genügen.
Titel CD1:
1. Fehu - Baldr's Fall
2. Werkraum - Queen-Maeve
3. We Wait For The Snow - Centre Of Wood
4. Annen Berg - Doom Control
5. Apart - Scarlet Night
6. Mariae Nascenti - Everything Is Fine But Me
7. Black Sun Productions - Macabre (Neet Murder Angel)
8. Industrial Implant - ...E Sia Vera Conoszenza Del Reale...
9. Allerseelen - Hörst Du Die Toten Singen
10. Sturmpercht - Kaiser Karl
11. Struggle For The Snuggle Factory - Land Ov Kain
12. Institution D.O.L. - This Is My Life
13. L'Ecrin Del La Misère - Dance To The Stormy Sky
14. Albireon - Spighe 2008
15. Northgate - Shady Pines
16. Aardvark - X?
Titel CD1:
1. Stahlwerk 9 - Kiss Of Judas
2. Testing Vault - How Find The Hands
3. Corpoparassita - Nascita Non Esente Da Rischi
4. Verhören - Neptune Bleeding
5. H2S - Abyss Of Existence
6. Wellenwerkmann Neurosonological Research Station - Cyglow (Sonar Deviced)
7. Mushy - Respiro
8. Flutwacht - Journey
9. Nocturne - C'Est La!
10. Wertham - Good Intentions
11. Der bekannte postindustrielle Trompeter / Macelleria Mobile Di Mezzanotte
- Nudi A Mata'
12. Mauricio Bianchi & Claude Rocchetti - Aversions / Alienation
13. Fabrizio Modonese Palumbo & Bill Horist - NW Music Pt. 2
14. Teho Teardo - Fifeteen Minutes Without Ego
15. Soglia Del Dolore - La Fine Arrivera'
zurück nach
oben
|