The Evasion On Stake - Again in the Past - Part I
(CD, Herden Media)

Eines dieser Alben die mich zerreißen, weil man sich als kritischer Mensch höchstens selbst zerreißen sollte. Etwas Schlimmeres kann man als musikalischer Analphabet wohl nicht tun, aber an Evasion On Stake gibt es wirklich eine Menge herumzumeckern. Bei Titel 2 ("Changing") z.B. fällt mir zum Instrumentalanteil sofort "Fancy meets Kirlian Camera" ein. Das ist einfach nur gruselig und ich frage mich als Rezensent, was ich davon halten soll. Was darüber schreiben? Ich weiß es nicht. Mit "Stability & Gossip" geht es munter in diese Richtung weiter. Spätestens jetzt fange ich an, nach der skip-Taste zu schielen. Na gut, die Titel stammen vom Anfang der 90er Jahre - vielleicht sollte ich mit meinem Urteil nicht so hart sein. Trotzdem muss ich den Vorwärtsgang einlegen. "Again in the past" hat wieder einen interessanten Anfang, klingt dann aber nach Depeche Modes "Photographic" oder zumindest nach der Frühphase der Briten. Mittlerweile finde ich diese Musik nicht mehr spannend.
"No Understanding" fängt ebenfalls ganz nett an. Beim Erst-Genuss entsteht zumindest noch eine gewisse Spannung, in welche Richtung sich der Titel entwickelt. Zwischen Die Form und frühen Das Ich scheint alles möglich. Ein wenig überrascht landet man letztendlich bei Camouflage. Aber der Vergleich zieht nicht, denn die Rand-Stuttgarter (genauer Bietigheim-Bissingener) sind in ihrem Metier unübertroffen. Für mich eine der wenigen Bands, die wirklich ein angenehmes Englisch sprechen und auch international mithalten konnten. Diese Klasse hat Evasion On Stake leider nicht, so sehr man das dem Macher des Projektes auch wünschen mag. Den Beweis für diese These tritt Evasion schon beim nächsten Stück an und ich hab ein Déjà-vu. Secret Service am Apparat "Hier spricht der Ten O'Clock Postman". Nee Du, da schüttelt mir…
Dass es auch anders geht, zeigt "For Days", mit reichlich "Boim Bum Tschak". Na gut, das klingt nach Kraftwerk und ist nicht sehr originell, dafür aber schön eingängig. Nach einiger Zeit kommen zum Rhythmus eine geloopte Gitarre und Gesang hinzu. Letzterer ist OK aber nicht so nah an den 100 Prozent, wie er sein könnte. Dann wird's etwas heftiger und Alien Sex Fiend schauen durchs Fenster der Einstürzenden Neubauten. Langsam aber sicher entwickelt sich das Stück zum Partyknaller für späte Stunden. Jetzt wird auch noch die große Trommel ausgepackt, aber leider gleich wieder weggestellt. Das jetzt haben DeMo schon gemaust… Naja, eigentlich war das Lied schon zu Ende. Der Rest ist schon wieder ein eigenes Stück oder ein eigener Remix. Der Rhythmus läuft zwar durch, aber plausibel zusammen gehören beide Teile für mich nicht. Hier stecken einfach zu viele schräge Einfälle in einem Thema.
Ich will jetzt nicht im Einzelnen jedes Stück auseinander nehmen. Allgemein gesprochen gefallen mir die Stücke mit zunehmender Titelzahl, die wahrscheinlich irgendwie mit der Jahreszahl des Entstehens korreliert, zunehmend besser. Natürlich macht da die tontechnische Qualität der Aufnahmen einen Gutteil der ansteigend wohlwollenden Rezeption aus. Um es weniger kompliziert auszudrücken: Die Band hat sich weiterentwickelt und der Sound ist besser geworden. "Der Traum" fällt da aufgrund der Deutschsprachigkeit ein wenig aus meinem Rahmen.

Was ich bis zum Ende der CD nicht herausbekommen habe, ist, in welche Richtung Haiko Herden mit seinem Projekt will. Es sind eine ganze Menge Einflüsse oder nennen wir es lieber, Zitate zu hören aber ein Ziel ist nicht auszumachen. Mit zunehmender CD-Verlaufszeit tendiere ich immer mehr in Richtung der erwähnten Camouflage. Das gelingt Evasion On Stake aber eher schlecht als recht. Ausschließlich geprägt von meiner subjektiven Meinung möchte ich sagen, dass diese CD "nett für nebenher" ist. Supoptimal Records. Irgendwie schon. Sorry.

Titel:
1. Trash & Flowers
2. Changing
3. Stability & Gossip
4. Waiting
5. Again In The Past
6. No Understanding
7. For Days (Together)
8. Returning To The Floor
9. The Dungeon Of Witches
10. A Kiss (Part 1)
11. Der Traum
12. Day By Day
13. This Night
14. Blue And Away
15. The Sad Wedding
16. Prayers


zurück        nach oben