Human Scrap: anATOMIC Prayer +++ Doba Úvodu / Auranoise


Einleitungszeit - Human Scrap: anATOMIC Prayer

Veröffentlichungen der slowakischen EINLEITUNGSZEIT zeichnen sich stets - besonders der erste Eindruck zählt ja und da ist das Äußere entscheidend - durch eine aufwändige und einfallsreiche Verpackung aus. So gab es schon Metallboxen oder Kartonage mit Wickeldraht. Diesmal wurde ein Blech mit Bandschriftzug auf eine Holzplatte geschraubt. Wer also an den Tonträger kommen will, muss zuerst im heimischen Werkzeugkasten den entsprechenden Schraubenschlüssel suchen. Ist dieser erste Kraftakt geglückt, erwartet den glücklichen Hörer ein analoges Noise-Inferno, wie es so nur EINLEITUNGSZEIT zustande bekommen. Nichts für schwache Nerven, denn hier wird praktisch das Ganze verfügbare Spektrum ausgereizt und das in einer Intensität, dass sich manch Stahlwerk in punkto Kracherzeugung dagegen wie ein mittelalterlicher Handwerksbetrieb ausnimmt. Verzerrte Schreistimmen sorgen zudem dafür, dass sich der Hörer nicht wohlig zurücklehnt. Da solch Klangfolter niemand auf Dauer aushält, schalten EINLEITUNGSZEIT immer wieder mal einen Gang zurück, um kurze Zeit später erneut Gas zu geben. Im Mittelteil der CD wird es dann doch etwas ruhiger, fast schon ambient; regelrecht ungewohnt kommt Titel 7 sogar mit zarter weiblicher Rezitation (z.T. in deutsch) über schwebendem Klangflächen daher. Dieser Ausflug bleibt aber die Ausnahme, ansonsten geben sich die Slowaken gewohnt brachial, wenn auch mit abwechslungsreicher Dynamik. Der Name EINLEITUNGSZEIT steht für ultraharten Maschinenlärm, mit ganz eigener klanglicher Ästhetik. Wichtigen Anteil daran haben die "unsauberen", analogen Sounds, die nie Langeweile aufkommen lassen. Für mich ist dieses Projekt eines der wenigen, die den bruitistischen Gedanken von Krach als rituelles Erlebnis der Entgrenzung in der heutigen Zeit noch standesgemäß umsetzen. Alles andere ist Techno.

Titel: ohne Namen

PS: Auf der CD befindet sich ein Multimedia-Part mit Video, Interviews, Fotos etc.


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Einleitungszeit - Doba Úvodu / Auranoise (CD, Einleitungszeit / Ars Morta)

Werke von Einleitungszeit zeichnen sich stets durch ein wunderbares Artwork aus. So kommt die "Doba Úvodu"-CD in einer geätzten Metallbox daher, während sich der "Auranoise"-Tonträger zwischen zwei kunstvoll mit Draht umwickelten Pappen verbirgt. Eigentlich ist es immer zu schade, diese Sachen zu öffnen. Wer sich das Ganze allerdings nur in den Schrank stellen will, der verpasst wirklich etwas.
Der Name Einleitungszeit steht für extrem dunkle Klangwelten, für kratzendes, schabendes Eisen, für entmenschlichte Stimmen, für metallische Perkussion und viel Noise. Hier ist wenig Platz für Barmherzigkeit, häufig genug wird das Frequenzspektrum bis zur Schmerzgrenze ausgereizt. Muse für besinnliche Momente bleibt kaum. Die Geschwindigkeit bewegt sich meist im mittleren Bereich, gelegentliche Ausbrüche inbegriffen. Basslastige Drones bilden das Fundament für eine atmosphärische Improvisationsmusik, die mit häufigen Tempo- und Lautstärkewechseln dem Zuhörer einiges an Konzentration abverlangt. Wer keine bösen Überraschungen erleben will, sollte die Lautstärke seiner Anlage vorab mit der allseits beliebten "Peak Search"-Funktion austarieren.
Einleitungszeit ist Klang gewordener Schmerz, eine akustische Meditation über das Leid des Menschen in der maschinellen Kälte der Gegenwart. Die Musik von Richard Norg als Power Noise zu bezeichnen, trifft den Kern der Sache jedoch nicht, da er sich anderer Ausdrucksformen bedient. Gewisse Ähnlichkeiten mit dem Genre lassen sich auf "Doba Úvodu" und auf "Auranoise" jedoch auszumachen. Wesentlicher Unterscheidungspunkt zwischen beiden CDs ist die Länge der Stücke. Während das 1999 erschienene "Doba Úvodu" noch aus fünf überlangen Stücken besteht, bewegen sich die "Auranoise"-Tracks alle um die sechs, sieben Minuten Dauer. Das spricht dafür, dass die Künstler wesentlich planvoller zu Werke gehen und die reine Improvisation ein wenig in den Hintergrund tritt. Strukturell sind jedoch kaum Änderungen festzustellen, dafür tritt auf "Auranoise" die bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Stimme Martin Kyber's in den Vordergrund. Ein wenig aus der Reihe fällt der fast meditative Titeltrack, der mit weiblichen und männlichen Rezitationen arbeitet, gegen Ende jedoch wieder von infernalischen Geräuschattacken pulverisiert wird. Das ist wirklich alles kein Spaß.


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