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7hz-Nacht
mit Scott Arford, Michael Nine und Randy H.Y. Yau
Gäste: Violenta Projecta
AZ Conni, d.a.t. - der andere Ton, Montag 16. September 2002
Geräuschabend
im AZ Conni - Pflichtveranstaltung für die kleine Gemeinde der Dresdner
Gehörgeschädigten. Bevor jedoch die Klangschmiede aus San Francisco ans
Werk gingen, präsentierte Ars Morta-Chefin Martina Sanollova ihr neues
All-Women-Ensemble Violenta Projecta. Richtig
"gewalttätig wurde die Musik jedoch nie, vielmehr erinnerte das von tieffrequenten
Drones getragene Klangbild mit den zurückgemischten Stimmen, Geige und
mystischem Schlagwerk (z.B. Klangschalen und Glöckchen) an die Begleitmusik
zu einem wie auch immer gearteten Ritual von der dunklen Seite der Macht.
Beschwörend, manchmal klagend, fast meditativ und immer sehr statisch
verwandelte die Musik der Prager Gruppe das AZ in einen heidnischen Tempelbezirk,
dem ein ordentliches Feuer und Unmassen an Räucherstäbchen und überhaupt
Räucherwerk ganz gut getan hätten. Leider ließ sich zumindest das mit
dem Feuer in den holzgetäfelten Räumlichkeiten des Conni nicht realisieren
und so ging ein wenig von der Wirkung des Konzertes verloren. Wer die
Gelegenheit hatte Violenta Projecta beim Female Avantgarde Festival in
Prag zu sehen, wird wissen, was ich meine.
Violenta
Projecta am Boden (links), Scott Arford am Laptop
Die
restlichen "Bands" des Abends brachten insgesamt nicht soviel Musiker
auf die Bühne wie Violenta Projecta - als erster Einzelkämpfer folgte
Scott Arford, manchem vielleicht besser als
Kopf hinter Radiosonde bekannt. Laptop-Musik in Reinkultur. Beobachtet
man Arford bei seiner Arbeit, würde man eher vermuten einen Internetdesigner
oder einen Grafiker vor sich zu haben. Konzentriert verfolgt er die Vorgänge
auf seinem Bildschirm, zeigt keine Reaktionen wie man sie vielleicht von
einem Free Jazzer erwarten würde, der sich während der Improvisation in
die Musik hineinsteigert. Trotz der unbeteiligten Art des Klangschaffenden
lässt das Endprodukt - ein technoider Bastard Körper und Geist der Zuhörenden
nicht unberührt. Zum Tanzen eignen sich Arford's Werke dann doch nicht.
Zu abstrakt sind die Beatstrukturen, die überraschenden Wechsel zerreißen
in schwindelerregender Abfolge die Trance. Ein fieses Sirren, Quietschen,
Schleifen, Stimmsamples und Alltagsgeräusche lassen stattdessen die Gedanken
der Konsumenten Bocksprünge vollführen. Unklar bleibt, ob hinter dem ganzen
ein konkretes Konzept steckt oder vorwiegend improvisiert wird. Reizvoll
wäre auch die Antwort auf die Frage, was wohl Mozart & Co. zu dieser Musik
gesagt hätten. Spätestens beim abschließenden Track, der in einem trockenem,
infernalisch schnellem Pulsatorcrescendo endet, wäre Wolfgang A. M. wahrscheinlich
schreiend raus gerannt.
Randy
H.Y. Yau malträtiert die Boxen
Randy
H.Y. Yau
ließ es dann erst einmal wesentlich ruhiger angehen und meditierte vor
seinem Verstärker, den er in der Mitte des Raumes aufgestellt hatte. Letzterer
brummte still vor sich hin und harrte der Dinge, die da kommen würden.
Und sie kamen in Form eines, wie ich mir später erklären ließ, Spielzeuges,
das Randy in seinem Händen haltend urplötzlich an seinen elektronischen
Mitmusiker hielt. Das Spielzeug bestand aus einem Mirkron mit eingebauter
Möglichkeit den Ton zu manipulieren. Nur komplette Laien werden sich jetzt
fragen, was Yau's Aktion für Klänge erzeugte, Musiker denken mit Schrecken
an Konzerte, die von unerwünschten Feedbacks zerrissen wurden. Yau ließ
die Elektronen schreien, was die Technik hergab. Sehr beeindruckend selbst
einmal zu hören und zu sehen, wie sich bei der Rückkopplung mit Hoch-
und Tieftönern der Klang verändert. Der Raum selbst wurde zum Instrument,
das Yau durch seine Bewegungen, den Abstand zum Lautsprecher spielte.
Das Endergebnis lässt sich am besten als atmosphärisch dichte Geräuschorgie,
als Krach auf hohen Niveau bezeichnen. Eigentlich ein bevorzugter Spielplatz
der zivilisationsmüder Japaner.
Als
letzter Vortragender des Abends betrat Michael Contreras alias Michael
Nine alias Death Squad die Bühne. Das stimmt so allerdings garnicht.
Wenn Contreras nicht gerade hinter seinem Laptop steht, bewegt er sich
zwischen den Anwesenden, verteilt Agitationsmaterial oder bezieht die
Zuschauer in die Klangschöpfung ein: Bevor es jedoch soweit war, startete
Michael Nine ein Sample, das mantrahaft wiederholt wird. Im Hintergrund
zeigt ein Video mit der Ansicht eines Gefangenenlager. Nach einiger Zeit
setzt ein fetter Bass ein, der sich immer dumpfer gestaltet. Ein leichtes
Sirren weitet das Frequenzspektrum auf. Über dem Dröhnen entwickelt sich
langsam ein dezenter Rhythmus, nur um sofort wieder zu zerfallen und in
einem metallischen Windgeheul unterzugehen. Währenddessen schaut Michael
den Betrachter vom Video aus treuherzig ins Gesicht.
Nach einem harten Break wird es wieder rhythmischer und ein lautes Pfeifen
zerreißt den Raum. Ah - das Yau'sche Spielzeuginstrument kam zum Einsatz.
Weiter ging es mit einem neuen Krachmacher, einem so genannten "personal
alarm". Selbiger dient dazu, Räuber, Mörder und Diebe mit einem fürchterlichen
Fiepton in die Flucht zu jagen. Zwei dieser Teile zeitlich versetzt "gezündet"
sorgen in Kopfnähe für seltsame Klangmuster, die im Inneren des Hirn zu
interferieren scheinen. Selbst Michael auf der Leinwand leidet. Zeit Schluss
zu machen und die Ohren Luft holen zu lassen.
Michael
Nine verteilt erst Propaganda, um dann schrecklich laut zu machen.
Zusammenfassend
lässt sich sagen, dass es sich immer wieder lohnt, beim d.a.t. im AZ Conni
vorbeizuschauen. Wer nichtgerade in Pink Floyd die Spitze der avantgardistischen
Musik vermutet, wird hier stets Neues und Interessantes hören. Mache Dinge,
wie das Benutzen von Alarmgebern, mögen simpel erscheinen, aber hier gilt
wie überall: Draufkommen muss man erst mal ...
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