Das 16. WGT steht vor der Tür. Lange hab ich überlegt, ob ich mir in meinem Alter noch den Stress eines solch gigantischen Festivals antun will aber der Blick aufs Programm legt schnell nahe, dass es dumm wäre, daheim zu bleiben, wenn solch eine Anzahl an interessanten Bands in der Nähe spielt. Also geht es Ende Mai wieder mal nach Leipzig. Im Folgenden habe ich die Bands aufgeführt deren Auftritt ich beiwohnen werde, sofern es mir Zeit und Koordination erlauben.


Die Legenden

Absolute Body Control aus Belgien stehen bei der Fangemeinde von Dive, Klinik und Konsorten ganz sicher ganz oben auf dem Wunschzettel. A:B:C: wurde Anfang der 1980er von Dirk Ivens gegründet, kurze Zeit später schloss sich Eric Van Wonterghem, heute bekannt für Monolith oder Insekt, der Gruppe an. Für EBM sind Absolute Body Control etwas zu poppig, schöne Stücke haben die Belgier auf jeden Fall hinterlassen, man denke nur an das fantastische "Totally Gone" oder das melancholische "Melting Away". Auf die Umsetzung in einem zeitgemäßen Sound darf man gespannt sein.

Zu Brighter Death Now viel zu erzählen, hieße Elche nach Schweden zu treiben. Roger Karmanik, einziges Stammmitglied der Death Industrial Formation und Labelchef des legendären Cold Meat Industry-Labels gehört mit seiner kompromisslosen Musik und den skurrilen Live-Shows zu den absoluten Institutionen der Szene. An seiner Seite zu erwarten ist der immer etwas angeheiterte Lina Baby Doll, seines Zeichens Mastermind von Deutsch Nepal.

Der Fluch sind eine alte Düster-Punk-Band die 1982 zwei LPs veröffentlichte und dann wieder in der Versenkung verschwand. Aus selbiger tauchte die Combo erst dreizehn Jahre später wieder auf. Danach dauert es wieder acht Jahre bis zur nächsten Platte. Was wohl daran liegen mag, dass die Musiker hauptberuflich bei O.H.L. beschäftigt sind.

The Superheroines aus den USA sind für mich definitiv eines der Highlights des diesjährigen WGT. Lange war von der Band, die aus Eva O. und Jill Emery bestand, nichts zu hören. Nach dem fantastischen Austritt Eva Os in Halle im vergangenen Jahr werde ich mir diese Reunion nicht entgehen lassen.

Elster Silberflug sagte mir bisher noch nichts, also begab ich mich in die Weiten des Internets zur Recherche. Bei der Band mit dem seltsamen Namen handelt es sich um ein westdeutsches Mittelalter-Folk-Quartett, das schon in den 1970ern musizierte. Allein die Tatsache, dass das Ensemble noch immer existiert, ist alle Ehren wert. Auf der Website ist Folgendes zu lesen: "Kaarel Siniveer, Autor des Rowohlt-Folklexikons, beschrieb 1981 `Elster Silberflug´ als `eine der wichtigsten Stationen auf dem Weg zur Wiederbelebung der deutschen Volksmusik´. Die Pionierarbeit der Heidelberger und ihrer Kollegen von `Ougenweide´ war richtungsweisend für heute erfolgreiche Mittelalter-Rockbands wie `In Extremo´ oder `Subway To Sally´." Naja, mag ich bezweifeln, da selbige wohl eher ostdeutsche Folkwurzeln haben…

The Cassandra Complex dürften auch allen bekannt sein, die auf härtere elektronische Musik kombiniert mit Gitarren stehen. Rodney Orpheus, Gründer und seit 1984 einziges permanentes Mitglied der Band hat sich schon in den verschiedensten Genres ausprobiert: EBM, Industrial, Goth Rock, New Wave oder Synthpop. Unterstützt wurde er die meiste Zeit dabei von Volker Zacharias, manchem sicher noch bekannt von der deutschen Formation Girls Under Glass.

Gespannt bin ich auch auf Midge Ure, "die legendäre Stimme von Ultravox". Hoffentlich blamiert er sich nicht so, wie Visage-Band-Kollege Steven Strange, der eine peinliche Playback-Show ablieferte. Hits wie "Vienna", "If I Was" oder "All Fall Down" mal live zu hören. Hoffen wir's!

Nicht vergessen werden dürfen Front 242, die sicher die meisten Zuschauer anziehen dürften. Neben der EBM-Legende bietet das englisch-französiche Team Fixer/McCarthy ein etwas moderne Spielart des Frittensounds.

 

Interessant dürfte das WGT auch für Freunde des Bat Cave / Death Rock werden. Mit 45 Grave ist eine der dienstältesten Bands, speziell der Los Angeles-Szene am Start, Frontfrau Dinah Cancer hat der vor langem dahingegangenen Combo wieder Leben eingehaucht. Mit Cinema Strange, Frank The Baptist, The Deep Eynde, The Last Days Of Jesus, Untoten und Zombina & The Skeletons bedient ein internationales Aufgebot die Schnittstelle der düsteren Klänge mit Punk, Rockabilly und Cabaret-Musik. Wer da am Platz festgenagelt sitzen bleibt, gehört nicht aufs Treffen sondern ins Altersheim oder auf den Kreuzfahrtdampfer.

Wie in den letzten Jahren üblich, kommen die Freunde der Industrial-Musik und von deren Randgebieten nicht zu kurz. Von Interesse dürfte die Bühnenpremiere von :Golgatha: sein. Das Projekt aus dem Umfeld des Ikonenmagazins sorgte 2005 mit dem Album "Kydos - Refelctions on heroism" für einiges Aufsehen, war es Initiator Christoph D. doch gelungen, niemand geringeren als Patrick Leagas von Sixth Comm / Death In June für einige Stücke vors Mikrophon zu holen. Dass :Golgatha: eine deutliche Nähe zum Neofolk besitzt, verwundert bei dieser Konstellation nicht.
Nach dem grandiosen Auftritt vom letzten Jahr, den ich leider nur partiell mitbekam, freue ich mich diesmal auf Apoptose. Angekündigt ist ein gemeinsames Konzert mit dem Fanfarenzug Leipzig, während sich die Band zuvor von einer Trommlergruppe unterstützen ließ. Lassen wir uns also überraschen.
Auf meiner Wunschliste steht auch auf das deutsche Dark Ambient-Projekt First Law. Die Veröffentlichung "IO" war zwar nicht ganz mein Fall, weil zu Krautrockig, doch mit einigem Abstand muss ich sagen, dass sie mir mittlerweile ganz gut gefällt. Wie auch immer: Ich werd dieses Konzert sicher nicht verpassen (s. Nachtrag).
Ordentlich rhythmischer Krach ist von Kiew, This Morn' Omnia und den Dresdner Formationen Heimstatt Yipotash und Soman zu erwarten, wobei letztere den Geschmack des Mainstream-Publikums wohl am besten bedienen dürften. Für heftig zuckende Tanzbeine ist jedoch insgesamt garantiert.

"Folkloristische" und von klassischer Musik beeinflusste Bands gehören seit jeher zum Programm des WGT. Hervorheben möchte ich an dieser Stelle die deutschen Faun, die sich stark an dem orientieren, was man gemeinhin als mittelalterlich bezeichnet. Dabei ersparen sie dem Hörer die tausendste Version des "Palästinaliedes", sondern begeistern mit eigenen interessanten Kompositionen. Die beiden Damen der Formation sind zudem eine echte Augenweide.
In eine ähnliche Kerbe, wenn auch mit stärkerem Anklang an das mediterrane Erbe, schlägt Ataraxia, die italienische Gruppe um Sängerin Francesca Nicoli. Deren gewaltige, sehr dunkle Stimme ist seit eh und je das Markenzeichen Ataraxias.
Durch einen starken Hang zum Martialischen zeichnen sich die Franzosen Dernière Volontè aus. Mit düsteren Synthesizerklängen und reichlich Trommeleinsatz wird eine heroische Stimmung erzeugt, die den Hörer in höhere Sphären trägt.
Zu Qntal gibt es nicht viel zu sagen. Das Projekt von Ernst Horn und Michael Popp gehört zu den populärsten Mittelaltermusikverwertern des Landes, der Auftritt dürfte wieder stark frequentiert sein, zumal sich als Gäste Estampie angesagt haben und die Live-Auftritte des Projektes nicht allzu reich gesät sind. Persönlich freue ich mich ganz besonders auf die gigantische Show der Franzosen Rosa Crux. Im letzten Jahr war ich absolut von den Socken, so dass ich diesmal versuchen werde, in einer der vorderen reihen zu landen, um das Geschehen einmal aus nächster Nähe beobachten zu können.

Als kleiner "Ausreißer" aus den bisher vorgestellten Bands sei noch die finnische Metal-Combo Amorphis genannt, deren Auftritt ich mir sicher auch nicht entgehen lasse, denn so häufig sind die Herren hierzulande nicht zu erleben. Zwar hab ich deren Schaffen seit der wegweisenden 1994er LP "Tales From A Thousand Lakes" nicht mehr verfolgt, trotzdem freue ich mich schon auf die Show.

Alles in allem ist wieder ein "fettes" Festival zu erwarten, vier Tage wildes Herumgerenne, damit man auch ja nichts verpasst und am Ende eine Allergie gegen die Farbe Schwarz. Zum Glück hält das nie lange vor.
Leipzig, ich komme!

Hier die Empfehlungen der Kollegen von IronFlame.

Nachtrag

MONUMENTUM - Freitag 25.Mai, 23:12 Uhr

Zur Eröffnung des 16. Wave-Gotik-Treffens in Leipzig wird die außergewöhnliche Architektur und Atmosphäre des Denkmals hervorgehoben in einer einzigartigen Synthese aus Licht und Klang. Die englische Gruppe „In The Nursery“, seit langem bekannt durch ambitionierte kompositorische Arbeiten im Grenzbereich von klassischer und elektronischer Musik, hat eigens zu diesem Anlaß ein Tonkunstwerk geschaffen. Diese Musik basiert unter anderem auf markanten Themen aus den Werken von Richard Wagner (in seinem 100. Geburtsjahr wurde das Denkmal eingeweiht), Gustav Mahler, Franz Liszt und Edvard Grieg.

DER EINTRITT IST FREI!

 

 

Nachtrag 2

Saturday, 26. May in Leipzig live at WGT:

FIRST LAW, FJERNLYS, BAD SECTOR and ANTLERS MULM

Start: 21:00
UT Connewitz

 

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